„Was? Nach Rumänien willst du in den Urlaub?“ Auf Unverständnis stieß ich oft, wenn ich von meinen Reiseplänen berichtete. Umso überraschter war ich, dass ich doch auf so einige Leute traf, die selbst schon einmal da waren. Ihre Augen bekamen ein Leuchten und sie erzählten von der wunderschönen Landschaft und der Offenheit der Menschen. Es hatte den Anschein, es gibt Geschichten, die dir nur in Rumänien passieren können.
„Reisen veredelt den Geist und räumt mit Vorurteilen auf.“ Ich entdeckte das Oscar Wilde Zitat im Boardmagazin des Fliegers nach Bukarest. Zwölf Tage Entdeckungstour lagen im September vor meinem Reisebegleiter Tino und mir. Ins beschaulich nette Brasov, das wunderschöne Sighisoara, das einer Filmkulisse glich, und ins auf uns etwas trist wirkende Sibiu führte uns unsere Reise durch Transsylvanien.
Der rückblickende Höhepunkt unserer Reise begann in Brasov. Dort kam die geschäftstüchtige Diana aus dem Rolling Stone Hostel doch noch mit uns ins Geschäft, obwohl wir ihren Ausflugsverkaufsangeboten bisher standhalten konnten. Doch mit erst zwei Tagen Rumänienerfahrung und einer Portion Skepsis den öffentlichen Verkehrsmitteln und den Wegen und Begebenheiten außerhalb der städtischen Pfade gegenüber, nahmen wir ihr überteuertes Angebot an, uns am nächsten Tag vom Fahrer des Hostels nach Poiana Marului fahren zu lassen.
Dort trafen wir uns mit Oli, einem Thüringer, der seit sechs Jahren in den transsilvanischen Bergen wohnt. Zunächst ging es mit seinem Zebrakleinbus durchs Tal zum Parkplatz seines Jeeps und dann mit Allradantrieb den Berg hinauf. Als Kind des Neubaugebietes und jetziger Großstadtbewohner entdecke ich erst in letzter Zeit einen Sinn für die Schönheit der Natur in mir. Hier gab es einiges zu entdecken. Oben angekommen kitzelte mir ein Gefühl von Anmut den Bauch. Mir war klar, dass ich hier definitiv an einem der schönsten Orte der Welt war, ein Ort, an dem man ankommen kann. Die nächsten drei Tage stand ich oft einfach nur so da, schaute und schaute und schaute und es gab immer wieder etwas zu entdecken, seien es die Wolken über dem Bucegi- oder dem Königsstein-Gebirge, die Wälder, die Bauern beim Arbeiten auf dem Feld, auch wenn ich sie nur als kleine Ameisen sah. Die Zeit verging da oben in 900 Meter Höhe im Fluge mit Pilze sammeln („suchen“ wäre das falsche Wort), Pflaumenernte, Seele baumeln lassen, Staunen und Tuica trinken bei Gipsy-Musik am Lagerfeuer.
Beeindruckend war auch unsere Unterkunft, eine Zeitreise. In dem ca. 100 Jahre alten Haus hatte sich fühlbar nicht viel geändert. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit in einem Museum zu übernachten?
Doch wir wollten noch mehr entdecken und mussten Draculas Ruf weiter folgen und dieses schöne Fleckchen Erde leider wieder verlassen. Es war Zeit für unseren Abstieg, zurück in die Zivilisation. Und da war sie wieder, die Angst vor den Hunden. Schon zu Hause wurde mir in mehreren Geschichten die Angst vor Bären genommen und gegen eine Angst vor (Schäfer-) Hunden ausgetauscht. Am Lagerfeuer hatte Oli uns erzählt, dass letztes Jahr ein hohes japanisches Tier an den Folgen einer Straßenhundattacke in Bukarest verstarb, die Geschichte wirkte ein wenig nach. Wir schnappten uns also unsere Knüppel, die wir schon beim Pilzausflug dabei hatten, obwohl der Wald uns vorher als sicher versichert wurde, aber man weiß ja nie. Aber nun würden wir in ca. drei Kilometer Entfernung an einem Schäferhaus vorbei laufen müssen. Cutu-Cutu, der verrückte Hofhund, der uns begleitete, zuckte auch etwas zusammen, als die bösen Viecher uns plötzlich auf der Straße ankläfften. Wir fuchtelten mit unseren Stöcken herum wie wir es zuvor geübt hatten. Irgendwann rief ein Kind die Bestien zurück ans Haus und wir überlebten unsere Hundefeuertaufe. Angekommen auf der nächst größeren Straße suchten wir das nächste rumänische Abenteuer: Trampen. Tolle Geschichten wurden mir über diese lokal verbreitete Art der Fortbewegung erzählt. Es dauerte in der Tat nicht lange, bis jemand bereitwillig anhielt. Wir konnten uns gar nicht richtig von unserem hundischen Begleiter verabschieden und vergaßen sogar kurz unsere Sorge, dass er den Weg nach Hause nicht mehr finden würde.
Unser Fahrer war allerdings wohl einer von der grimmigen Sorte. Es gab keine Einladung zum Biertrinken, wie ich es in Geschichten hörte, sondern sobald wir das Ortseingangsschild von Zarnesti erreichten, wurden wir auch schon zum Aussteigen gebeten. Warum Zarnesti im Reiseführer erwähnt wird, erschloss sich mir nicht, abgesehen von den Bergen drumherum vielleicht. Wir waren froh, den Bahnhof schnell gefunden zu haben und im Zug zur Weiterfahrt zu sitzen.
Bukarest, Brasov, inmitten vom bergischen Nichts, Sighisoara, Sibiu... eine Frage, die ich mir während der zwölf Tage Rumänienreise immer wieder stellte war: Ist das das richtige Rumänien?
War Rumänien der Milchautomat auf dem Markt? Die vielen Second Hand Geschäfte mit jahrealten Klamotten, in denen die Leute neue Kleidung für sich finden? Ist Rumänien die Omi mit dem Buckel, Kopftuch und Handy am Ohr? Ist Rumänien der Möbeltransport per Pferdekarren? Ist Rumänien die Damen, die sich beim Ingangsetzen des Zuges bekreuzigen? Ist Rumänien in den ausgeglichenen Gesichtern der Menschen, die ich gesehen habe?
Ich wurde nicht ausgeraubt. Ich bekam keinen Durchfall und nur einmal geriet ich an eine Toilette, die ich lieber doch nicht benutzen wollte. Dracula traf ich nicht, dafür hörte ich vom Fledermaushund bei Vollmond.
Abschließend bleibt der Gedanke, an der Oberfläche der Möglichkeiten, die dieses große, schöne Land seinen Besuchern bietet, gekratzt zu haben. Und wenn mich jemand fragt: ja, ich will wieder kommen. Ich glaube, meine Augen leuchten jetzt auch, wenn ich an Rumänien denke.
Wer diesen wunderschönen Ort auch einmal besuchen möchte, scheut sich nicht Oli zu kontaktieren. Telefon: (0040)755563401, mail: gullizero@yahoo.de
Und nun noch einige Impressionen der Umgebung des Ferienhauses ohne Worte.