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Die Geige die vom Himmel fiel


von Biggi Kempter

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Juni 2008. Das Institut für Volks­mu­sik­for­schung und Eth­no­mu­si­ko­lo­gie in Wien ver­an­stal­te­te ei­ne Ex­kur­sion in die Ma­ra­mu­res mit dem Ziel, dort Feld­for­schung zu be­trei­ben, d.h. aut­hen­ti­sche Mu­sik der Be­völ­ke­rung ken­nen zu ler­nen und auf­zu­zeich­nen. Vom Va­lea Vi­nu­lui, dem Wein­tal (nicht Wein­gär­ten, aber Mi­ne­ral­was­ser­quel­len, die so wert­voll wie Wein sind, ge­ben dem Tal sei­nen Na­men) stie­gen wir auf nach „obci­na“. Obci­na be­deu­tet An­hö­he und de­ren gibt es vie­le in der Re­gion, doch die­ses „obci­na“ ist ein Spe­zi­fi­sches, et­was Be­son­de­res. Es liegt ca. 1000 m hoch und be­her­bergt auf sei­nem Über­gang zum Va­lea Mi­si­ca ei­ne Streu­sied­lung, die sich vor ca. 100 Jah­ren aus Senn- und Heu­mahd­hüt­ten ent­wi­ckelt hat. Be­wohnt sind die lie­be­vollst ge­bau­ten Holz­häu­ser von Ru­thenen.
Berglandschaft
Diese Menschen, die da oben in ih­rer Ab­ge­schlos­senheit le­ben, sind eher scheu, über­haupt Frem­den ge­gen­über. Björn Rein­hardt, ein aus­ge­zeich­ne­ter Pro­du­zent von Do­ku­men­tar­fil­men, der im Va­lea Vi­nu­lui zu Hau­se ist und das Ver­trau­en die­ser Men­schen hat, be­glei­tet uns und ver­schaff­te uns Zu­gang. Die Mü­he des Auf­stiegs durch das ma­le­ri­sche Kar­pa­ten­tal lohn­te sich. Es er­war­te­te uns ein Pa­ra­dies blü­hen­der, duf­ten­der Berg­wie­sen und ein wei­ter Blick hi­nü­ber zum Pop Ivan und hi­nein in die Ukra­ine.
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Berglandschaft mit Kindern
Auch musikalisch ka­men wir auf un­se­re Rech­nung. Zu Mu­sik auf der selbst ge­fer­tig­ten Maul­trom­mel und Ge­sang wur­de so­gar ge­tanzt.
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Mann mit Maultrommel
Das Spiel auf der Vio­li­ne, das wir von dem ei­nen Bau­ern er­war­tet hat­ten, blieb je­doch aus. Das Ins­tru­ment wur­de an­läss­lich ei­ner Fes­ti­vi­tät schon vor Jah­ren zer­trüm­mert. Un­ser Pro­fes­sor ver­sprach aus der Be­geis­te­rung über das Er­leb­te her­aus, die­sem Bau­ern ei­ne neue Vio­li­ne zu­kom­men zu las­sen. Da ich im Ju­li wie­der nach Vi­seu de Sus woll­te, er­klär­te ich mich be­reit, die Vio­li­ne mit­zu­neh­men und zu über­brin­gen. So ging ich dann im Juli al­lei­ne hoch, fand je­doch das Haus des be­sag­ten Bau­ern nicht auf An­hieb. Ich stieß auf sei­nen Nach­barn Ste­fan Cut, der ge­ra­de mit dem Mä­hen der Wie­se be­schäf­tigt war. Er er­kann­te mich wie­der und sein Blick blieb an dem Gei­gen­kas­ten hän­gen. Ob er ein­mal das Ins­tru­ment se­hen dürfe?
Er nahm es in die Hände, be­gann zu spie­len und Trä­nen ran­nen über sein Ge­sicht. 20 Jah­re ha­be er nicht mehr ge­spielt.
Ich konnte ihm die Gei­ge nicht weg neh­men, zu­mal ich von ei­nem Freund noch ei­ne zwei­te, zwar be­schä­dig­te zur Wei­ter­ga­be mit­be­kom­men hat­te. So be­deu­te­te ich ihm, dass er sie be­hal­ten dür­fe. Haf­fia, sei­ne Frau koch­te mir Ma­ma­li­ga mit Brim­sen und Speck – al­le wa­ren wir glück­lich.
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Als ich durch das Va­lea Mi­si­ca den Rück­weg an­trat fie­len be­reits die ers­ten Re­gen­trop­fen. Der Re­gen ver­dich­te­te sich, ein Ge­wit­ter folg­te dem an­de­ren. Es schü­tte­te un­auf­hör­lich die gan­ze Nacht, den nächs­ten Tag, die da­rauf­fol­gen­de Nacht. Die Flüs­se stie­gen an, ver­wan­del­ten sich in Flut­wel­len, die un­barm­her­zig al­les mit sich ris­sen, was ih­nen im Weg stand - Häu­ser, Stra­ßen, Brü­cken und Hän­ge­brü­cken, auch ei­nen Teil der Schie­nen der Holz­bahn in Va­lea Va­ser. Ich wur­de Zeu­ge ei­ner furcht­ba­ren Na­tur­ka­tas­tro­phe und es ge­lang mir nur mit Mü­he den Weg zu­rück nach Ös­ter­reich an­zu­tre­ten.
Überschwemmung Überschwemmung
Als ich zu Hau­se den Com­pu­ter öff­ne­te um mei­ne E-Mails zu sich­ten, fand ich fol­gen­de Nach­richt von Björn: „Nach­dem Sonn­tag das wohl ver­hee­rendste Un­wet­ter seit Men­schen­ge­den­ken die Ma­ra­mu­res und auch un­ser schö­nes Wein­tal heim­ge­sucht hat und die Fa­mi­lie Cut in­fol­ge­des­sen ei­nen Teil ih­rer Schaf­her­de und ihr zwei­tes Haus in Poi­en­ile de sub Mun­te ver­lor, hat sich Ste­fan Cut oh­ne er­sicht­li­chen Grund ei­ner Krank­heit für im­mer ver­ab­schie­det.
In der letzten Nacht vor sei­nem Tod hat er stun­den­lang, wie in Tran­ce, auf sei­ner neu­en, wie vom Him­mel ge­fal­le­nen Gei­ge ge­spielt…"
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Viele interessante vor al­lem aber be­we­gen­de Fil­me von Björn Rein­hardt über das Le­ben der Fa­mi­lien in Obci­na und das Wein­tal fin­det man im Ma­ra­mu­re­ser Film­ar­chiv.
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