Palinkabrennen


von Hermann und Christine Bretschneider

Schafe
Schafe
Nachdem wir 2010 zusam­men mit un­se­rem Freund At­ti­la aus Tar­gu Mu­res drei klei­ne Schnaps­bren­ne­rei­en in der Ma­ra­mu­res be­sucht hat­ten – es reg­ne­te und die Bau­ern konn­ten nicht ins Heu, was liegt da nä­her als Schnaps bren­nen – woll­ten wir die­ses Jahr nun un­be­dingt sel­ber wis­sen, wie‘s geht – das Pa­lin­ka­bren­nen. Für­sorg­lich hat­te un­ser Freund ein gro­ßes Fass mit Wein­trau­ben zum Ver­gä­ren an­ge­setzt, so dass uns ge­nü­gend „Roh­stoff“ zur Ver­fü­gung stand.
Pferdewagen vor Schnapsbrennerei
Vor der Brennerei im Maramuresdorf Breb
In Rumänien kursiert der hoch­pro­zen­ti­ge selbst­ge­brann­te Obst­schnaps un­ter drei Namen
Zuika, Horinka und eben Palinka.
Schafe
Palinka heißt der vom un­ga­ri­schen Be­völ­ke­rungs­teil in Ru­mä­ni­en ge­brann­te Schnaps. Er wird zwei­mal ge­brannt und hat ei­ne Al­ko­hol­kon­zen­tra­tion zwi­schen 50 und 60 %.
großes Blechfass steht erhöht auf zwei Steinen und ist über eine Kupferleitung mit einem danebenstehenden Ofen verbunden und unter dem Fass steht ein blauer Plasteeimer
Brennerei mit Kessel, Kühler und Eimer
Der Name „Horinka“ wird nur in der Ma­ra­mu­res be­nutzt. Ho­rin­ka ent­spricht dem Pa­lin­ka. Da­von zu un­ter­schei­den ist nun aber der Zui­ka. Er ist ge­wis­ser­ma­ßen der ru­mä­ni­sche Bru­der des Pa­lin­ka, nur ein­mal ge­brannt und hat ei­nen Al­ko­hol­an­teil von ca. 35 %.
Nach soviel Vorrede lasst uns end­lich zur Tat schrei­ten. Zu­nächst muss das pas­sen­de Obst ge­ern­tet wer­den.
Obst
Obst
Obst
Obst
Obst
Obst
Obst
Ein ungarisches Sprich­wort be­sagt: "Obst, das zur Mar­me­la­de taugt, gibt auch ei­nen gu­ten Pa­lin­ka.“ Das ge­wa­sche­ne Obst wird als­dann zur Gä­rung in ei­nen ge­eig­ne­ten Be­häl­ter ge­ge­ben – zu­meist ein Plas­tik­fass, das sich dicht ver­schlie­ßen lässt. Luft muss zwar sein, aber zu viel ist „un­ge­sund“ – för­dert die Schim­mel­bil­dung.
Maische wird aus einem Eimer in den Kessel gefüllt
Attila befüllt den Kessel mit Maische.
Kessel wird mit Maisbrei abgedichtzet
Mit Maisbrei wird dann alles abgedichtet
Je nach Obstart dauert der Gä­rungs­pro­zess un­ter­schied­lich lange – z.B. Pflau­me drei Mo­na­te, Pfir­sich fünf bis sie­ben Mo­na­te. Am längs­ten braucht die Wein­trau­be – fünf bis neun Mo­nate.
Schafe
zwei Männer sitzen mit freiem Oberkörper schwitzend und lächelnd neben einem Holzfass
Die Destillen sind meist recht ein­fach ge­baut. Ein 60-Li­ter-Kup­fer­kes­sel – Kup­fer nimmt die Hit­ze schnell auf und ros­tet nicht – wird zu­nächst mit 15 bis 20 Li­ter Was­ser und an­schlie­ßend mit der Obst­mai­sche zu 75 % be­füllt. Die Mai­sche „schwimmt“ ge­wis­ser­ma­ßen auf dem Was­ser und brennt von da­her nicht so schnell an. In man­chen Ge­gen­den un­ter­bin­det ein Rühr­werk im Kes­sel das An­bren­nen. Jetzt erst wird die An­la­ge „be­feu­ert“. Wenn die Mai­sche zu ko­chen be­ginnt, wird der De­ckel auf­ge­setzt und mit ei­ner Mi­schung aus Mehl und Mais­brei luft­dicht ver­schlos­sen.
fertiger Schnaps fliesst aus einem Rohr im Fass in eine Glas Frau hält lachend ein Schnapsglass in der Hand Löffel mit Schnaps wird in einen Flamme gehalten
Endlich ist es soweit — der erste selbst­gebrannte Palinka. Keine Frage, die Wirkung setzt sofort ein. Und immer schön Flamm­probe machen, damit nichts passiert
Der wichtigste Teil der gesam­ten Des­til­lier­an­la­ge ist der Küh­ler. Sehr oft wird da­für ein al­tes, 200 Li­ter Ben­zin­fass ver­wen­det, durch das sich die Kühl­schlan­ge win­det. Das Kon­den­sat fließt in ei­nen ein­fa­chen Was­ser­ei­mer. Am Ge­räusch, das der Dampf beim Durch­gang durch die Kühl­schlan­ge ver­ur­sacht, er­kennt der Brenn­meis­ter die Maisch­tem­pe­ra­tur. Ist sie zu hoch, wird das Feu­er mit ei­nem Schwapp Was­ser ge­dros­selt, an­dern­falls läuft man Ge­fahr, dass ei­nem die gan­ze An­la­ge um die Oh­ren fliegt. So­bald der ers­te Pa­lin­ka aus dem Küh­ler tropft, wird das Feuer für ca. 10 Mi­nu­ten ganz ge­löscht, um es an­schlie­ßend mit klei­ner Flam­me wei­ter­bren­nen zu las­sen.
Die ersten ein bis zwei Li­ter Des­til­lat ha­ben ei­nen Al­ko­hol­ge­halt von 80 bis 90 % und sind re­la­tiv ge­schmack­los. So­bald der Al­ko­hol­wert un­ter 20 % fällt, wird die Des­til­la­tion ab­ge­bro­chen. Ge­prüft wird mit­tels Flamm­pro­be. So­lan­ge die Flam­me schön gelb leuch­tet, ist al­les in Ord­nung. Schlägt sie aber in ein hel­les Blau um, ist Schluss mit lus­tig - Me­thyl­al­ko­hol droht! Nach dem Ab­küh­len der An­la­ge wird die Mai­sche aus dem Kes­sel ge­schöpft und die­ser dann gründ­lichst ge­rei­nigt.
Mann gießt Schnaps aus einer Flasche in ein Glas
Bei jedem Besuch war mindestens ein Doppelter fällig.
Nach der dritten Brennerei an einem Tag war ich dann „ab­gefüllt“.
Der erste Brennvorgang dauert etwa fünf bis sie­ben Stun­den. 60 Li­ter Mai­sche er­ge­ben 12 bis 17 Li­ter Pa­lin­ka mit 30 bis 40 % Al­ko­hol. Der zwei­te Durch­gang – er dau­ert nur drei bis vier Stun­den - er sorgt dann für den ty­pi­schen Pa­lin­ka­ge­schmack und ei­nen Al­ko­hol­ge­halt von 50 bis 60 %.
Mann reingt dampfenden Kessel
Nach dem Brennen folgt das Reinigen - eine mühsame Prozedur.
Palinka oder Zui­ka ist zu­meist in je­dem Haus vor­rä­tig, der Stolz je­des Haus­va­ters und ein Trunk, der bei kei­nem Fest­mahl feh­len darf.
Plastegefäße und holzummantelte Glasbehälter stehen in einem Versteck unter dem Fußboden
Hier hat Opa in Ceausescus Zeiten immer den Palinka versteckt.
Palinka ist noch zu ech­ten Wun­dern fäh­ig: Er ver­treibt die Sor­gen, stif­tet Freund­schaf­ten, löst die Zun­ge und heilt gro­ße oder klei­ne Zip­per­lein. „Statt Apo­the­ken­ar­ze­nei ein Schluck Pa­lin­ka oder zwei“, heißt es in ei­nem al­ten Volks­lied, oder „Ei­nen Schluck Zui­ka her, kei­nen Schmerz ver­spür ich mehr.“ Ein­ge­weih­te wis­sen, wie die Gü­te des Pa­lin­ka zu prü­fen ist: Man zer­reibt ei­nen Trop­fen zwi­schen den Hand­flä­chen; riecht es nach Ho­nig, gilt der Qua­li­täts­test als be­standen.
bunt bemalte Holzgrabtafeln auf dem fröhlichen Friedhof in Sapanta
Der Fröhliche Friedhof von Sápânta. Auffallend häufig war auf den Grabstelen zu lesen: „Mach‘ es nicht so wie ich! Trink‘ nicht so viel Palinka!“ Zu viel ist eben auch ungesund.
Ein Schnaps, der et­was auf sich hält, muss au­ßer­dem beim Schüt­teln im Glas klei­ne Bläs­chen bil­den. Je mehr sich zei­gen und je län­ger sie ste­hen blei­ben, um so bes­ser ist der Schnaps. Wird man beim Be­tre­ten ei­nes Hau­ses mit ei­nem Pa­lin­ka emp­fan­gen – was meist im­mer der Fall ist – muss man das Glas in ei­nem Zug bis zur Nei­ge lee­ren. Sonst bringt es Un­glück ins Haus.
Schafe
Und – niemals „prost“ sa­gen, son­dern im­mer „mul­tä ßä­nä­ta­te“ oder „no­roc“. Prost be­deu­tet auf Ru­mä­nisch näm­lich so viel wie „dumm“.
In diesem Sinne lasst ihn euch schmecken – den Palinka – Horinka – Zuika und …
Prost alle miteinander!
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glas
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