Diva mit silbriger Stimme


Die Romasängerin Gabi Luncă


von Grit Friedrich

Lange war Hochzeitsmusik in Rumänien fest in den Händen der Lautari genannten urbanen Romamusiker, doch nur wenige von ihnen waren Frauen. Nur eine Hand voll erlangten so großen Ruhm wie Gabi Luncă, mit Plattenaufnahmen in Rumänien bei Electrecord, einigen Liedern auf dem Doppelsampler Gypsy Queens und einer Best of CD bei einem Berliner Label. Am 16. Oktober 2018 wurde die Sängerin Gabi Luncă 80 Jahre alt, Grit Friedrich hat sie in Bukarest besucht.
Hochzeit
CD-Cover von Gabi Lunca
CD Cover Gabi Luncă
(Rechte: Asphalt Tango Records)
Radio
Wer Rumänien vor dem Dezember 1989 besuchte, konnte zwei Welten erleben. Im Radio und Fernsehen Lieder übers schöne Morgen und die von Nicolae Ceaușescu ausgerufene “goldene Epoche”, die niemals eintraf, und sogenannte Vorstadtfolklore, die man damals vor allem auf Hochzeiten und privaten Familienfesten hören konnte.
Lieder über die Leidenschaft für die Frau des Anderen, über unerfüllte Liebe und schweren Wein, mit Texten, die nicht ins Bild vom neuen Menschen passen wollten. Auch Gabi Luncă hat lange auf Hochzeiten, aber auch bei Konzerten und im Fernsehen gesungen. Und obwohl sie seit Anfang der neunziger Jahre nur noch in Kirchen der Pfingstgemeinde auftritt, ist ihre Stimme in Rumänien unvergessen. Ihre Lieder sind die eher leisen, die wehmütigen, Lieder über die Sehnsucht. Lieder, die den Druck von der Seele nehmen und von denen einige zu den großen Hits der Gabi Luncă gehören.
Weinglas und Messer
“Da mama cu biciu-n mine”
Oft kopiert, aber unerreicht ist ihr silbriger Gesang und ihr weiches Vibrato wie bei “Da mama cu biciu-n mine”. Obwohl Gabi Luncă “immer leicht neben dem Takt lag”, wie sich der Akkordeonist Victor Gore im Jahr 2007 bei einem Treffen in seinem Wohnzimmer erinnert, als ich die Texte zur Archivreihe “Sounds from a Bygone Age” recherchierte. Und Gabi Luncă schrieb, wie viele Lautarimusiker, eigene Lieder, so auch “Am crescut băieți și fete”, über die Liebe von Kindern zu ihren Eltern und umgekehrt. Hier soll sogar die Diktatorengattin Elena Ceaușescu Tränen vergossen haben, eine schwer überprüfbare Legende.
weinwndes Gesicht
Plattencover von Gabi Lunca
Plattencover Gabi Luncă
(Rechte Foto: Grit Friedrich)
"Am crescut băieți și fete”
Der Conducator selbst hat lieber Romanzen gehört, Gabi Luncă hat eigene Erinnerungen. “Ich habe mein ganzes Repertoire in der Zeit des Kommunismus aufgebaut. Und ich schäme mich nicht dafür, dass ich Zigeunerin bin. Wir Musikanten werden aber oft Seidenzigeuner genannt. Ich habe kein Romanes gelernt in meinem Dorf, das war irgendwie schlecht angesehen. Mein Mann sprach aber Romanes, und so habe ich es später auch gelernt. Aber ich bin immer besser mit den Rumänen klar gekommen und habe gern für gebildetere Leute gesungen.”
Frau in Romakleidern
"Grea mi-e, Doamne, inima”
Die Sängerin beklagt in ihrem Lied, dass sie von ihrem Liebsten verlassen wurde, der einfach ihre Liebe vergessen habe. Ofturi, die Seufzer, sind dabei feste Bestandteile dieser cintece de mahala, wie die Vorstadtlieder in Rumänien genannt werden.
Entstanden sind solche leicht dahinfließenden Melodien an der Peripherie südrumänischer Städte wie Pitești, Craiova oder Ploiești. Wenn sich die Leute am Wochenende in Gartenlokalen zu Wein, Mici und Kartenspiel getroffen haben, spielte immer auch ein Taraf, bestehend oft aus Geige, Zimbalom, Gitarre, Akkordeon und Kontrabass. Die Besetzung wechselte und war ein guter Sänger dabei, lockten Engagements in größeren Lokalen von Bukarest.
singende Frau
Berufsausweis von Gabi Lunca
Berufsausweis von Gabi Luncă
(Rechte Foto: Gabi Lunca)
Gabi Luncă stammt ebenfalls aus Südrumänien, aus Vărbilău, einem Dorf im Prahovatal, wo Restaurantchefs seit Jahrzehnten Musiker engagieren. 1938 geboren, wuchs sie in bitterer Armut, als Kind eines Geigers auf, der früh seine Frau verlor und eine große Familie ernähren musste. “Wir waren sechs Geschwister. Als ich dreieinhalb Jahre alt war, starb meine Mutter und mein Vater hat erneut geheiratet, nach ein paar Jahren waren wir dann 12 Kinder. Ich war die jüngste der ersten sechs und meine Großmutter hat mich aufgezogen. Bei ihr durfte ich nicht ohne ein Gebet ins Bett gehen. Alle wünschten sich Essen und Kleider, aber ich wollte ins Radio und eine bekannte Sängerin werden.”
Radio
“Cu-o damigeana si-un pahar”
Visitenkarte mit Gabi und Ion
Visitenkarte von Gabi Luncă und Ion Onoriu zu Hause
(Rechte Foto: Grit Friedrich)
Mitte der fünfziger Jahre ging Gabi Luncă zu einem der damals zahlreichen regionalen Musikwettbewerbe für Amateure. Bei 49 Konkurrenten und Konkurentinnen kam die blutjunge, aber nicht unerfahrene Sängerin damals als Letzte auf die Bühne. In dunklem Rock und weißer Bluse. Gesungen hat sie auch das Lied “Luncă, Luncă”, von dem Gabi Luncă ihren Künstlernamen übernahm. “Luncă, Luncă” ist ein Liebeslied aus Muntenien und eine der bekanntesten Melodien der rumänischen Sängerin Maria Tănase, die damals ständig im Radio gespielt wurde. Als Mädchen vom Lande, in löchrigen Baumwollsocken und viel zu großen Schuhen, stellte sich Gabi Luncă beim rumänischen Rundfunk vor. Gabi Luncă hat dann beim Radio eine Handvoll Lieder gesungen, sie erntete wohlmeinendes Schulterklopfen, aber wartete in den folgenden Wochen vergeblich auf ein Zeichen aus dem Radio. Dafür erreichte die junge Sängerin der Ruf des bekannten Orchesterchefs Ionel Budișteanu, der mit ihr als Solistin und dem Rundfunkorchester einige Lieder aus der Vorstadt aufnehmen wollte, erinnert sich die Sängerin leise lächelnd. "Ich bekam ein Telegramm mit folgenden Worten: Dringend kommen. Aufnahmen bei Electrecord. Das war der schönste Tag in meinem Leben. Als ich dann dieses riesige Orchester gesehen habe, mit 18 Musikern, da habe ich gedacht, was mache ich eigentlich hier. Ich habe dann vier Lieder aufgenommen. Und ich glaube, es hat keine Stunde gedauert. Mit mir kam die Lautarimusik dann ins Radio."
Telegramm
Gabi und Ion
Gabi Luncă und Ion Onoriu
(Rechte Foto: Electrecord)
Allerdings mit den immer mehr in Mode kommenden großen Folkloreorchestern. Doch die kleineren Taraf genannten Kapellen dominierten bis in die späten achtziger Jahre die populäre Musikkultur Rumäniens. Die Meisten, die diese Melodien von Generation zu Generation weitergegeben haben, waren Roma wie Gabi Luncă. Heute hat sie, anders als viele ihrer früheren Kollegen, ein regelmäßiges Einkommen durch die Pfingstgemeinde. Die bestürzende Armut vieler Roma in Rumänien sieht sie trotzdem.
“Viele Dinge sind nicht in Ordnung und das schmerzt mich. Ceaușescu war wie er war, aber damals gab es bei uns niemanden ohne Wohnung, ohne Arbeit, ohne ein Stück Brot. Klar musste man arbeiten dafür, und wer das nicht tat, wurde abgeholt und dazu gezwungen. Und jetzt emigrieren so viele junge Leute in andere Länder und gehen dort kaputt. Sie werden ausgenutzt und sind manchmal herrgottsarm. Manche werden auch zu Verbrechern, aber eines ist klar, sie gehen weg, weil sie Hunger haben.”
Frau mit Dingen des täglichen Lebens
Seit Anfang der neunziger Jahre singt Gabi Luncă nur noch religiöse Texte zu Lautarimelodien bei Gottesdiensten der Pfingstgemeinde, das allerdings in ganz Rumänien und einmal im Jahr auch auf einer ausgedehnten Tour in Diasporagemeinden in den USA. Ihrem Mann war das Hochzeitsgeschäft nach 1990 zu anstrengend geworden und es tauchte ein neues Genre auf, Manele. Das ist am Fließband produzierter orientalischer Pop mit Texten über Liebe, Feindschaft, Exil, Sehnsucht nach der Mutter oder einfach übers neue Auto oder über Geld. Die hoch angesehene und tief religiöse Sängerin hatte keine Lust mit den neuen Stars dieser Maneleszene zu konkurrieren.
Flugzeug
Bilder auf Wohnzimmerschrank
Fotosammlung Gabi Luncă zu Hause
(Rechte Foto: Grit Friedrich)
Im Oktober 2018 wurde die letzte große Stimme der „goldene Generation“ der Lautarikultur, zu der auch Romica Puceanu und Dona Dumitru Siminica gehörten, 80 Jahre alt. Höchste Zeit für eine Wiederentdeckung ihrer Aufnahmen aus den sechziger und siebziger Jahren, auch bei uns. “Wir haben aufgehört, als wir einen fantastischen Erfolg hatten, aber ich wollte das alles nicht mehr mitmachen. Ich hatte Respekt für unsere Musik, und es ist schwer, sie zu bewahren. Mir hat das schon weh getan, ich dachte, wir könnten doch noch auf Empfängen oder in Restaurants singen, aber mein Mann, Ion Onoriu, sagte kategorisch nein.”
Mann sagt Nein
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