Die Cabană Gigi Ursu


von Rolf Gerstendorf
eldp8.de

gemalte Cabana in Berglandschaft
Bild der ehemaligen Cababa Gigi Ursu in malerischer Landschaft
In der Bukowina, am Zusammenfluss der Dorna und der Goldenen Bistritz, liegt das Kur- und Wintersportstädtchen Vatra Dornei. Der Ort im Dorna-Becken, der seine besten Tage im 19. Jahrhundert erlebte und heute noch den morbiden Charme der Habsburger Zeit verströmt, ist von vier Gebirgen mit zahlreichen schönen Wanderwegen umgeben, dem Suhard-Gebirge im Nordwesten, den einsamen Bistrița-Bergen im Südosten, dem Supervulkan Căliman im Südwesten und dem Giumalău/Rarău-Gebirge im Nordosten.
gemalte Landkarte des Vatra Dornei
Auf meiner Wanderung bin ich aus den Suhard-Bergen hinabgestiegen und habe nach einem Ruhetag Vatra Dornei Richtung Nordosten wieder verlassen, wobei ich die Cabană Giumalău des Salvamont am Fuße des 1857 m hohen gleichnamigen Gipfels als mein erstes Etappenziel vorsah.
Am Obcina Mică, als der anstrengende Teil des bei heißem Wetter recht schweißtreibenden Anstieges geschafft war, erblickte ich auf einer Höhe von 1400 m am Rand einer Poiană eine wunderschöne und offensichtlich mit viel Liebe gestaltete Berghütte, die Cabană Gigi Ursu. Kein Mensch war zu sehen, doch da es gerade Mittagszeit war, beschloss ich, ganz zivilisiert auf der Terrasse Platz zu nehmen und meine Brotzeit zu vertilgen.
gemalter Mann macht eine Esspause
Nach kurzer Zeit kam Leben in die Angelegenheit: Von einem nahegelegenen Klösterchen kamen etliche Menschen vom sonntäglichen Gebet zur Hütte hinauf, eine Gruppe Deutsch-Rumänen oder Rumänen-Deutsche oder Rumänen und Deutsche, ein junger Mönch mit Bierflasche in der Hand (der mich ob meines seit drei Wochen wuchernden Gestrüpps im Gesicht gleich zum orthodoxen Mönch machen wollte) und Gabriela Ursu, die rührige Chefin der Hütte. Und wie das so ist in Rumänien, waren die Tische bald bedeckt mit Speis und Trank, man ließ es sich schmecken, alles schwatzte wild durcheinander und ich war sofort in die „Hüttengemeinschaft“ aufgenommen. Ich erfuhr einiges über die Geschichte der Hütte und die Bemühungen der Familie Ursu, eine Küche anzubieten, die sich vorrangig aus selbst auf der Hütte und lokal erzeugten landwirtschaftlichen Produkten speist. Wer sich die Fotografien auf der Facebook-Seite ansieht, wird leicht die Bedeutung guten Essens für die Cabană Gigi Ursu erkennen.
gemalter Gemüsekorb
Mein ursprüngliches Ziel des Tages war nicht zuletzt aufgrund einiger „Hochprozentigen“ natürlich perdu und ich verbrachte eine herrliche Nacht in einem herrlich altertümlichen und urgemütlichen Zimmer der Hütte. Am nächsten Morgen konnte ich mich dann gestärkt, ausgeruht und mit bleibenden Erinnerungen auf den (nur kurzen) Weiterweg zum Giumalău machen.
gemalter Wanderer

Ein Haus mit Tradition

Die Cabană Gigi Ursu wurde in den 1970er Jahren gegen viele Widerstände als erste private Berghütte in Rumänien von Gheorge „Gigi“ Ursu erbaut, einem Berg von Menschen, einem hoch aufragenden Mann. Das Haus wurde recht bekannt, auch weil der bekannte Dichter Adrian Păunescu, der mit Gigi Ursu befreundet war, diesen Ort liebte, wo die Schönheit der Landschaft und die Ruhe der Natur wahrscheinlich seine besten Musen waren.
gemalter Dichter
Auf Wunsch von Gigi Ursu und aus eigener Kraft wurde auf der Poiană in 100 m Entfernung zur Hütte die Klostereinsiedelei Sf. Cuvioasa Parascheva mit einem großen weißen Marmorkreuz errichtet, das von oben über Vatra Dornei wacht. Im Sommer leben seither einige Nonnen in der Einsiedelei, die im Winter in der Hütte Unterschlupf finden.
gemalte Nonnen auf dem Weg zur Kirche
Als Gigi Ursu im Jahr 2013 starb, blieb das Haus im Eigentum seiner Frau Georgeta und wird seitdem von seiner Tochter Gabriela weitergeführt. Die Hütte ist mit einer kleinen Landwirtschaft verbunden, die (natürlich Bio-) Lebensmittel zur Versorgung der Gäste liefert.
gemalter Gemüsegarten
Brett garniert mit Tomaten, Käse, Schinken und Brot
Die Hütte ist deshalb ein Anziehungspunkt nicht nur für Wanderer, sondern auch für viele Einheimische, die ein geselliges, gutes Essen mit einem Besuch des Klosters verbinden.
gemalte Menschen strömen in die Cabana

Die Feuersbrunst

Am Abend des 1. Novembers 2019 wurde gegen 21 Uhr Feueralarm gegeben. Feuerwehrleute eilten mit sechs Löschfahrzeugen von Vatra Dornei, Dorna-Arini und Câmpulung Moldovenesc zur Hütte, die eine Fläche von etwa 800 Quadratmetern umfasste. Die Hütte und alles, was sich in ihr befand, brannte lichterloh und so heftig, dass die Gefahr bestand, der Brand könnte sich über den Waldboden ausbreiten und einen Stall sowie ein weiteres Nebengebäude erfassen.
gemalte Feuerwehr versucht Cabana zu löschen
Brennendes Haus
Die Feuerwehrleute kämpften bis zum nächsten Morgen mit den starken Flammen von über 40 m Höhe, bei bitterer Kälte von -10 Grad. In diesem ungleichen Kampf froren den Feuerwehrmännern die Wasserschläuche in ihren Händen ein, das Löschwasser gefror unter ihren Stiefeln und sie mussten unzählige Stürze erleiden. Doch jedes Mal standen sie auf und setzten ihren Kampf gegen die Feuersbrunst fort. Viele Kubikmeter Wasser aus den Löschfahrzeugen und, als dieses zur Neige ging, auch der Inhalt aus dem nahen Fischteich waren nötig, um zumindest ein weiteres Ausbreiten der Flammen zu unterbinden.
gemalter Fischteich mit Wasserschlauch
Die Nonnen, die im Winter in der Cabană Gigi Ursu lebten, schliefen beim Ausbruch des Brandes in der Hütte und konnten sich nur mit höchster Not und mit nichts anderem als dem, was sie auf dem Leib trugen, und einigen Heiligenbildern aus den Flammen retten. Sie fanden einstweilig Unterschlupf bei Mutter Ursu.
gemalte Nonnen flüchten aus dem Feuer
Feuerwehrmann vor den rauchenden Überresten der Cabana
Die Feuerwehr glaubt nach einer ersten Untersuchung, dass das Feuer aufgrund eines Fehlers in der Elektroinstallation des Generators oder der PV-Module ausbrach (was den Autor dieser Zeilen, seines Zeichens Elektrotechniker, irgendwie nicht wundert). Der Schaden wird von der Familie Ursu auf etwa 200.000 € geschätzt.
gemaltes Feuer aus Steckdose

Phönix aus der Asche

Jeder Untergang zielt auf eine Entstehung, jeder Tod bahnt den Weg zu einem neuen Leben.
(„Nathan der Weise“ Moses Mendelssohn)
Aufgrund des Alters, der Lage und der integralen Holzkonstruktion der Hütte war keine Versicherung je bereit, eine Police für den Brandfall abzuschließen, so dass die Familie Ursu auf dem Schaden sitzenbleibt. Dennoch will die Familie versuchen, das Haus wieder aufzubauen, da es nicht nur ein Treffpunkt zum Feiern war, sondern auch ein Ort voller Bedeutung und Tradition. Auch sollen neue Cellae für die Nonnen entstehen, die als Teil der Hüttenfamilie betrachtet werden können.
gemalte neue Cabana auf Asche
„Meine Familie möchte die Tradition bewahren, und auch wenn es in diesem Pandemiejahr sehr schwierig war, die Schutzpatronin des Klosters Cuvioasa Parasceva zu feiern, haben wir Lebensmittel für alle etwa 100 Menschen verarbeitet, die dorthin zur Feier kamen. Im Sommer kochten wir traditionelles Essen mitten in der Natur auf einem alten kleinen Herd. Viele Menschen kamen und schliefen im Zelt, nur um unser natürliches und schmackhaftes Essen zu essen.“
gemalter Kochtopf mit Besteck und Tassen
Frau kocht auf Holzherd im Freien
Nonnen und Mönch vor neuer Notunterkunft
Als ich für dieses Adventskalenderblatt recherchierte, konnte ich auf der Facebookseite von Gigi Ursu lesen, dass schon nach einem Jahr wieder eine erste „Nothütte“ für Übernachtungsgäste eingerichtet werden konnte. Die neue Hütte hat drei Zimmer mit je einem Doppel- und einem Einzelbett, also insgesamt neun Plätze, dazu zwei Badezimmer, (natürlich) eine Küche und einen Gemeinschaftsraum.
Gabriela: „Wir hatten ein sehr hartes Jahr, aber auch den Glauben, dass wir über all das Leid hinwegkommen können. Wir haben auch vor, auf europäische Fonds zuzugreifen, um drei weitere Gebäude zu bauen, aber jetzt konzentrieren wir uns erst einmal darauf, Geld für unsere Schulden aufzutreiben. Auch wenn uns viele Leute schon geholfen haben, konnten wir nur 5000 € sammeln. Doch wir müssen für Materialien bezahlen, die wir von einer Baufirma erhalten haben, die immer noch auf rund 20.000 € von uns wartet. Jede kleine Hilfe ist deshalb willkommen. Ich danke euch allen! Gott segne euch!“
gemalter Spendenaufruf

Ein Hilferuf

Gabriela hat die Asociatia Gigi Ursu gegründet, auf deren neuer Webseite über die Menschen, die geholfen haben, Informationen, Ideen, alles über die zukünftige Pläne berichtet werden soll. Für diejenigen, die die Möglichkeit haben und den Wiederaufbau des Hauses sowie den Bau von Zellen für die obdachlosen Nonnen unterstützen möchten, hat die Familie Ursu bei der Banca Transilvania Spendenkonten eingerichtet:

RO23 BTRL EURC RT05 4548 8901 EUR
RO73 BTRL RONC RT05 4548 8901 RON

Cabana Gigi Ursu bei Facebook
Kontakt: gabriela.ursu@kidstaxi.ro

gemalte Cabana als Sparbüchse

Să stăm în munte şi să fie seară,
să ne străbată aer ca de templu,
pe-un peisaj de verde să contemplu
întunecimea ta elementară,

să-mi fie foame şi să-mi fie sete,
să-ţi fie cald, să-ţi fie sănătate,
să stăm în munte, să vorbim de toate,
pe relieful tragicei planete

şi să plecăm aproape-n somn din viaţă
pe-un drum fără lumină, peste munte,
să-mi coşi cu tine aripile frânte,
sângele tău să-mi fie fir şi aţă.
Şi eu să cad când stelele-ncep să cânte
urlând de dor în umbra ta măreaţă.

În munte - Adrian Păunescu

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