Irgendwo auf einem Berg in der Maramureș, wo es, wie ich finde, ganz besonders still und wunderbar ist, war ich im letzten September mit meinem Mann Thomas und unserem Freund Björn zu Ivan und seiner Frau Motrea eingeladen. Beide sind Bauern oder wie man heute sagen würde Landwirte. Sie verbringen seit ihrer Kindheit jeden Sommer mit ihren Tieren auf der Alm.
Hier können die Kühe jede Menge frisches Gras, gemixt mit Kräutern, die wir sonst nur aus unseren Kräuterbeeten kennen, fressen. Es ist ruhig und die Hitze und der Staub aus den Tälern schafft es nicht bis hier hoch.
Fernsehen kann man hier auch. Es gibt genau ein Programm und der Bildschirm ist riesig.
Noch vor ein paar Jahren war es auf diesem Berg sehr belebt. Mehrere Familien mit zahlreichen Kindern verbrachten hier die Sommer. Jetzt ist das nicht mehr so. Die alten traditionellen Holzhäuser sind verwaist oder dienen als Scheune. Wer möchte heute noch ohne Wasser, Internet, ohne Laden, ohne medizinische Versorgung und ohne normal befahrbaren Weg seinen Sommer verbringen? Und mit nur einem Fernsehprogramm? Die jüngeren Leute nicht. Und die älteren auch nicht.
Wir pilgern gemächlich unter Führung unseres Freundes Björn durch die verlassene Siedlung zum Haus von Ivan und Motrea.
Ivan werkelt im Garten. Und natürlich hat er uns schon längst erblickt.
Ivan und Motrea leben von der Landwirtschaft. Ein paar Kühe und ein kleiner Garten dienen den beiden Alten als Lebensgrundlage. Die staatliche Rente für den 74-Jährigen und seine ungefähr 10 Jahre ältere Frau ist kaum die Rede wert. Wir wurden freundlich ins Haus gebeten und ich erfuhr, dass Ivan ein großer Schöngeist, Künstler und auch Erfinder ist.
Die Funktionsweise erklärt uns Björn, der Ivan lange und gut kennt und schon sehr oft besucht hat. Das hölzerne Dreieck wird in einen Topf mit kochendem Wasser gestellt und eine Scheibe Brot daraufgelegt. Durch den Wasserdampf wird hartes Brot wieder weich.
In vielen traditionellen rumänischen Küchen, aber besonders hier, bewundere ich die Einfachheit und Farbenfreude. Jedes Ding hat seit vielen, vielen Jahren seinen Platz und wird genutzt, bis es wirklich kaputt ist.
Motrea ist sehr schweigsam und selten sieht man sie lächeln. Schnell huscht sie durch die Küche und serviert Kaffee, frische Weintrauben (wahrscheinlich aus Spanien) und Kekse. Nanu, frage ich, wo kommt das alles denn her? Ivan antwortet, dass vor ein paar Tagen die Tochter zu Besuch gewesen ist und diese Dinge mitgebracht hat. Ich glaube, die beiden Alten essen solches neumodisches Zeug gar nicht.
Als ordentlicher Gast bringt man natürlich ein Geschenk mit und ich dachte mir, dass sich Motrea bestimmt über ein schönes Tuch freuen würde. Ich hatte extra gedeckte Farben gewählt, aber schon bei der Übergabe merkte ich, dass ich nicht das richtige Geschenk ausgesucht hatte. Auch Ivan begutachtete das Tuch, aber gab es mir dann zurück. Mir wurde gesagt, dass man sowas hier nicht trägt. In der Kirche würde man damit zu sehr auffallen. Ich solle es jemand Anderem, Jüngeren schenken.
Während unseres Besuches schweifte mein Blick immer wieder in die Ecke neben dem Ofenrohr. Dort hing Ivans Geige. Ich wusste, dass er manchmal für seine Gäste alte ruthenische Weisen spielt.
Björn hatte vor einigen Tagen mit Freunden eine rote Gitarre zu Ivan auf den Berg gebracht. Diese hatte er sich gewünscht, da er es schöner fand, beim Geigenspiel begleitet zu werden.
Das war mein Glück, denn endlich nahmen Ivan und Björn die Instrumente zur Hand.
Ich lauschte während des Vortrags mit Gänsehaut und Demut. Mein Herz war voller Dankbarkeit, Respekt, Glück und Liebe. Emotionen die man nur sehr selten in so einer gebündelten Form erlebt.
Dann gab es noch einen weiteren kulturellen Höhepunkt. Ivan griff zu seinen mit Radiodrähten selbst gebauten Maultrommeln und erfreute uns mit einem Maultrommelkonzert.
Nach so viel traditioneller Kunst machten wir uns auf dem Heimweg. Dabei hatte ich Gelegenheit die nützlichen Dinge zu betrachten, die an den Hauswänden des Wohnhauses und der Nebengebäude platziert sind.
Zum Schluss wollte Björn noch einen von Ivan in Handarbeit gefertigten Rechen kaufen. Diese waren in der Scheune gelagert, die früher auch mal ein Wohnhaus war.
Es herrschte ein großes Angebot. Breiter Rechen, schmaler Rechen oder doch eher mittel?
Langer Stil, kurzer Stiel? Ivan stand dabei und lächelte.
Natürlich gab es auch eine „Probefahrt“ und der Rechen wurde für vorzüglich befunden.
Dann ging es wieder zurück auf die Erde. Die Erinnerung an diesen besonderen Besuch haben wir nun für immer im Gepäck.
Wer noch mehr über diese besonderen Menschen und unseren Besuch bei ihnen sehen und hören möchte, dem empfehle ich das 15-minütige Video von Björn Reinhardt.
Hier findet ihr eine wahre Schatzkammer weiterer spannender und lustiger Filme aus der Maramureş von Björn Reinhardt