Wusch - Klein­bahn im Kar­pa­ten­bogen


Eine Rei­se ent­lang der Stre­cke von Schäß­burg über Ag­ne­theln bis nach Her­mann­stadt im Spät­herbst des Jahres 2000


von Andreas Mausolf

Zug
Eisenbahn
Schiene und Uhr
Es stellt ein ei­gen­wil­li­ges Un­ter­fan­gen dar, von Schäß­burg aus über Ag­ne­theln nach Her­mann­stadt zu ge­lan­gen. Wer es ei­lig hat, nimmt ei­nen an­de­ren Weg. – Doch wir ha­ben es nicht ei­lig, im Ge­gen­teil. Wir wol­len je­ne Stre­cke er­kun­den, auf der einst die Schmal­spur­bahn von Schäß­burg nach Her­mann­stadt ver­kehr­te. Zum Zeit­punkt un­se­rer Rei­se konn­ten wir noch si­cher sein, ihr in Ag­ne­theln zu be­geg­nen. Gut ein Jahr lang soll­te sie da­mals noch zwi­schen der Markt­ge­mein­de und Her­mann­stadt ein­mal am Tag hin und zu­rück ver­keh­ren. Noch ahn­te nie­mand, dass im Herbst 2001 al­les vor­bei sein wür­de. Zur bes­se­ren Ein­ord­nung sind hin­ter den deut­schen Orts­be­zeich­nun­gen hier noch ein­mal die ru­mä­ni­schen Na­men ver­merkt.
Fahnen
Unser Bericht ent­stammt ziem­lich di­rekt dem Skiz­zen­block der Fahrt – ei­ne ent­rück­te Welt, schein­bar im Ein­klang mit Na­tur und bäu­er­li­chem All­tag, kaum von of­fen­sicht­li­cher Hek­tik ge­zeich­net: Viel­leicht lernt man auf die­sen We­gen am ehes­ten je­ne Ge­gend ken­nen, in der einst die Schmal­spur­bahn bei den meis­ten für Fort­schritt und Struk­tur­wan­del stand. Die Rei­se­ein­drü­cke bie­ten so ei­ne reiz­vol­le Er­gän­zung zur Do­ku­men­ta­tion der ei­gent­li­chen Bahn­ge­schichte.
historisches Foto
Historisches Fo­to der drei Loks aus der An­fangs­zeit vor der ma­le­ri­schen Ku­lis­se Schäß­burgs (Foto: Slg. Ju­lius Mis­sel­ba­cher aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bo­gen")
Fotoapparat
7:00 Uhr früh, Ab­fahrt aus der Mit­te von Schäß­burg, Her­mann-Oberth-Stra­ße – be­nannt nach dem gro­ßen Ge­lehr­ten, der hier in sei­ner Berg­schul­zeit er­folg­reich Mö­glich­kei­ten zur Über­win­dung der Erd­an­zie­hungs­kraft ent­wi­ckel­te.
Rakete
An dieser Ecke, in un­mit­tel­ba­rer Nä­he zum Markt­platz, rausch­te die „Wusch“ vom Bahn­hof kom­mend und den An­stieg der Un­te­ren Bai­er­gas­se oft ge­quält neh­mend vor­bei, nicht im­mer zur Freu­de der An­woh­ner. Der Qualm ver­fing sich bei ent­spre­chen­der Wit­te­rung in den ge­öff­ne­ten Fens­tern und blieb in der von hö­he­ren Häu­sern ge­säum­ten Stra­ße hän­gen. Ein al­ters­schwa­cher Bus kommt he­rauf. Er ist voll­be­setzt, denn bei der Hem­den­fa­brik beginnt die Früh­schicht.
historisches Foto
Historisches Fo­to in Schäß­burg in der Un­te­ren Bai­er­gas­se (Foto: Slg. Ju­lius Mis­sel­ba­cher aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bo­gen")
Brücke
Wir begeben uns auf den Weg, den die Schmal­spur­bahn aus der Stadt nahm, kom­men an der Bahn-Brü­cke über den Schaa­ser­bach vor­bei, die noch steht und als Fuß­weg dient. Dann pas­sie­ren wir die End­stel­le des Stadt­bus­ses.
Bushaltestellenschild
Bereits kurz dar­auf um­gibt uns die kaum be­sie­del­te Hü­gel­land­schaft, über die äu­ßerst lang­sam das Licht der im Auf­ge­hen be­grif­fe­nen Win­ter­son­ne he­rauf kriecht. An ei­ni­gen Stel­len in den Tä­lern hat sich der Nacht­ne­bel ver­fan­gen, aus ein­zel­nen Ge­höf­ten steigt Rauch aus den Schorn­stei­nen auf. Nach gut ei­ner Vier­tel­stun­de er­rei­chen wir Schaas mit der ru­mä­ni­schen Be­zeich­nung Şaeș und fah­ren in der Orts­mit­te am ehe­ma­li­gen Sta­tions­ge­bäu­de der Schmal­spur­bahn vor­bei. Es herrscht be­reits viel Be­we­gung auf der Haupt­stra­ße, wir se­hen den Atem der am Fahr­bahn­rand auf ei­ne Mit­fahr­ge­le­gen­heit war­ten­den Men­schen.
Menschen am Straßenrand
Bis 1965 wussten hier War­ten­de noch, dass in Kür­ze die Klein­bahn aus Schäß­burg kom­men wür­de, heute ist auch ein Pfer­de­fuhr­werk als Fahr­ge­le­gen­heit an­ge­nehm…
Schaas im Winter 1999: Das al­te ty­pi­sche Sta­tions­ge­bäude wird seit 1965 in an­de­rer Funk­tion ge­nutzt. (Foto: An­dre­as Mau­solf)
Weiter geht es nach Trap­pold, ru­mä­nisch Apold. Bis hier­her fährt et­was häu­fi­ger ein Bus. Un­ter­wegs be­geg­nen uns Pfer­de­fuhr­wer­ke, Men­schen al­lei­ne zu Fuß, ei­ni­ge mit ge­schul­ter­tem Wer­kzeug auf dem Weg zur Ar­beit auf den Fel­dern, die auch im No­vem­ber nicht ruht.
Mensch mit Wagen
Wir fahren weiter und kom­men zu je­nem Ab­schnitt der ehe­ma­li­gen Bahn­stre­cke, der beim Bau die meis­ten Schwi­erig­kei­ten be­rei­te­te. Zwi­schen Trap­pold und Henn­dorf, ru­mä­nisch Bra­deni, er­ken­nen wir oh­ne Schwie­rig­kei­ten, wie sehr die Stark­re­gen sei­ner­zeit in die­ser Land­schaft Bau­ar­bei­tern und Bau­fort­schritt zu­ge­setzt ha­ben müs­sen.
Bauarbeiter
historisches Foto
Historisches Foto der Ent­glei­sung der Lok "Apor" An­fang 1897 in­fol­ge von Un­ter­spü­lun­gen bei Henn­dorf (Foto: Slg. H. Lutsch - HOG Ag­ne­theln aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bo­gen")
Die Steigung nimmt zu, die Son­ne drängt sich an den Ho­ri­zont. Heu­te be­fin­det sich am höchs­ten Punkt die­ses Ab­schnitts die Kreis­gren­ze zu Her­mann­stadt. Das be­ein­dru­cken­de Fo­ga­rasch-Ge­birgs­mas­siv taucht vor uns auf, vor­ge­la­gert klei­ne Hü­gel­ket­ten. Ei­ni­ge ein­sa­me Rad­fah­rer sind auf dem Weg in Rich­tung Ag­ne­theln, das noch etwa 20 Ki­lo­me­ter ent­fernt liegt. Wie­der über­ho­len wir – äu­ßerst vor­sich­tig na­tür­lich – Ka­val­ka­den von Fuhr­wer­ken, Foh­len lau­fen ne­ben den Zug­pfer­den. Zwi­schen­durch wei­den­de Pfer­de ne­ben der Land­stra­ße, der ge­bun­ker­te Mais säumt die Stra­ße und die Son­ne be­ginnt die Ein­gän­ge der Ge­höf­te zu be­schei­nen.
Tür
Wir sehen bereits die Kir­che von Neit­hau­sen, ru­mä­nisch Ne­tuș, da­vor der klei­ne Bahn­hof – heu­te ei­ne Ta­ges­bar. Auf dem Haupt­platz se­hen wir ei­ni­ge zer­fal­len­de Häu­ser ne­ben schön he­raus­ge­putz­ten. Die Pfer­de vor den Fuhr­wer­ken schnau­ben, war­ten un­ge­dul­dig auf die Ab­fahrt. Die Stra­ße führt kur­ven­reich wei­ter, Schaf­her­den ste­hen be­we­gungs­los in den Hän­gen. Die Käl­te die­ser Nacht hat Bäu­me und Bü­sche mit ei­ner fi­li­gra­nen Gli­tzer­schicht über­zo­gen.
Landschaft
historisches Foto
Streckenplan der Wusch (Zeich­nung: Ru­pert Göd nach ei­ner Vor­la­ge von Șer­ban La­cri­țea­nu aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bo­gen")
Wir fahren am ver­las­se­nen Em­pfangs­ge­bäu­de von Ro­seln, ru­mä­nisch Ru­ja vor­bei, be­vor wir die schein­bar un­end­li­che Wei­te vor Ag­ne­theln durch­que­ren. Die Son­ne taucht die Hü­gel in ein sanf­tes Licht und lässt ih­ren nie­dri­gen Be­wuchs wie das Fell ei­nes über­gro­ßen, lie­gen­den Tie­res er­schei­nen.
Sonne
Die Landstraße wird zur Stra­da Avram Ian­cu, be­nannt nach dem gro­ßen ru­mä­ni­schen Rechts­ge­lehr­ten und Re­vo­lu­tio­när, den je­de grö­ße­re Stadt auf die­se Wei­se ehrt, und das na­he­zu städ­ti­sche Le­ben von Ag­ne­theln be­ginnt uns zu er­grei­fen. Bis hier­her be­nö­tig­te der Frü­hzug der Schmal­spur­bahn laut ers­tem Fahr­plan vom No­vem­ber 1898 drei Stun­den und 43 Mi­nu­ten, zwei Jah­re spä­ter ging es mit drei Stun­den und 16 Mi­nu­ten schon et­was schnel­ler!
Fahrplan
historisches Foto
Historisches Foto kurz vor dem Hal­te­punkt Ag­ne­theln Markt (Foto: Al­fred Luft aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bogen")
Wir durchfahren Ag­ne­thelns Haupt­stra­ße, in der die Klein­bahn einst mit drei­ma­li­gem Sei­ten­wech­sel seit­lich vor den Häu­sern ver­keh­rend, re­gu­lä­rer Be­stand­teil des stä­dti­schen Ge­fü­ges war. Bis 1969 war es nach Ein­stel­lung des Schäß­bur­ger As­tes noch mög­lich, die Markt­ge­mein­de mit der Schmal­spur­bahn zu durch­fah­ren. Dann fiel auch die­ser Ab­schnitt dem Ab­riss zum Op­fer.
Bahn fährt vor Häusern
historisches Foto
Aus Agnetheln ist die schö­ne Anek­do­te über­lie­fert, dass - wenn das Un­ter­richts­en­de an der Schu­le bei der evan­ge­li­schen Kir­che zeit­nah mit ei­ner Fahrt der Schmal­spur­bahn zu­sam­men­fiel - die Schü­ler zu "Tritt­brett­fa­hrern" wur­den und an der Schu­le auf­spran­gen, um vor ih­ren je­wei­li­gen Haus­tü­ren wie­der ab­zu­sprin­gen. Die im Ort ent­spre­chend an­ge­pass­te Ge­schwin­dig­keit mach­te es mög­lich! Aus Her­mann­stadt kommt 388.002 im un­te­ren Teil der Nie­der­gas­se un­ter dem "Haus­berg" des Or­tes, dem Net­tert (Foto: Al­fred Luft aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bo­gen")
Wir passieren klei­ne Ho­tels, Gast­stät­ten, am Markt das ein­sti­ge Ho­tel „Zur Ag­ne­tha“ und stel­len fest, dass auch hier der Pkw-Ver­kehr teils cha­o­ti­sche For­men an­ge­nom­men hat. Da­zwi­schen im­mer wie­der Pfer­de­fuhr­wer­ke und über­füll­te Last­wa­gen in ge­fähr­lich wir­ken­der Schief­­lage.
Autos um ein Haus
Weit hinter dem Ende der Ort­schaft ent­de­cken wir lin­ker­hand auf dem Weg nach Her­mann­stadt ab­ge­stell­te Gü­ter­wa­gen und ei­nen nie­dri­gen Zweck­bau: Das Bahn­hofs­ge­bäu­de von Ag­ne­theln, wo­bei man den Ein­druck ge­winnt, es ge­hö­re schon zur nächs­ten Ort­schaft! Es ist be­reits be­setzt! Auch wenn der Zug noch lan­ge nicht er­war­tet wird.
3 Personen stehen vor einem Bahnhofsgebäude
Agnetheln: Die freundliche CFR-Mann­schaft in Ag­ne­theln vor dem Bahn­hof: Es dau­ert noch, bis Mixt 2922 er­war­tet wird! Wir fah­ren ihm ent­ge­gen. (Foto: An­dre­as Mau­solf)
Zugkellen
Ein Ärgernis bildet die Tat­sache, dass uns meh­re­re Bus­se mit dem Rich­tungs­an­zei­ger „Si­biu – Ag­ni­ta“ ent­ge­gen kom­men. Sie sei­en bil­li­ger, wür­den öf­ter fah­ren und sei­en noch da­zu schnel­ler, wird uns vom Sta­tions­vor­stand mit Be­dau­ern er­läu­tert.
Bus
Uns wird einmal mehr deut­lich, dass es hier gar nicht da­rum geht, ein Ver­kehrs­mit­tel, das öko­lo­gisch klar im Vor­teil ist, auch ent­spre­chend an­zu­bie­ten und zu ei­nem ver­läss­li­chen Be­stand­teil der re­gio­na­len In­fra­struk­tur zu ma­chen. Die viel­schich­ti­gen Er­klä­run­gen für das Miss­ver­hält­nis zwi­schen Schie­ne und Stra­ße be­schäf­ti­gen uns hier nicht zum ers­ten Mal!
Straße versus Schiene
Unser Zug – so hö­ren wir vom Sta­tions­chef in Ag­ne­theln – ist pünkt­lich um 8:05 Uhr in Her­mann­stadt ab­ge­fah­ren. Das be­deu­tet, wir ha­ben ge­nü­gend Zeit, ihm bis Här­wes­dorf, des­sen ru­mä­ni­scher Na­me Cor­nă­ţel lau­tet, ent­ge­gen­zu­fah­ren und in der Nä­he ei­nen schö­nen Fo­to­stand­punkt aus­zu­su­chen.
historisches Foto
Tabelle 204 im Kurs­buch von 1987/88. Das Kür­zel "P.O." bei der Sa­tion Roth­berg (Ro­șia) steht für "punct de op­ri­re" und be­deu­tet Hal­te­punkt (Foto aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bo­gen")
Wir fahren wei­ter und se­hen zu­nächst ein­mal nichts mehr von un­se­rer Stre­cke. Hin­ter Ag­ne­theln ver­läuft sie weit von der Stra­ße ent­fernt. Auf den Fel­dern ist hier noch nie­mand bei der Arbeit, Men­schen sind kaum auf der Stra­ße un­ter­wegs.
Kopf
Auf dem Schei­tel ei­nes Hü­gels ist ei­ne end­los er­schei­nen­de Ket­te von Scha­fen zu se­hen. Bei Bä­gen­dorf (Be­neș­ti) ha­ben wir die Bahn­li­nie wie­der er­reicht. Er­neut taucht lin­ker­hand das Fo­ga­rasch-Mas­siv mit sei­ner be­ein­dru­cken­den schrof­fen Gi­pfel­ket­te – meis­tens schnee­be­deckt – auf.
Landschaft
Auf der weiteren Fahrt wird es den Ein­druck der Land­schaft im­mer wie­der prä­gen. Die Gip­fel schei­nen durch ei­ne schma­le, aber kon­trast­rei­che Ne­bel­schicht vom Fuß des Ge­bir­ges ge­trennt – ei­ne ge­spens­ti­ge An­sicht! Rech­ter­hand von uns ste­hen gro­ße Schaf­her­den noch im Gat­ter. Die Sil­hou­et­te der Kir­chen von Al­zen (Al­ţî­na) taucht auf, die Wä­sche ne­ben den Häu­sern am Orts­ein­gang ist ge­fro­ren.
Wäsche auf einer Leine
Alte Männer zieh­en klei­ne Hand­wa­gen mit Milch­kan­nen, an­sons­ten sind die Stra­ßen leer. Al­zen hat ei­nen hüb­schen klei­nen Bahn­hof, idyl­lisch hin­ter den Häu­sern ge­le­gen. Trotz des kal­ten Mor­gens sit­zen be­reits äl­te­re Men­schen vor den Häu­sern. Ob sie ans Rei­sen mit der Bahn den­ken, viel­leicht noch an je­ne Zei­ten, als sie hier mehr­mals am Tag vor­bei­fuhr? Vie­le der Be­woh­ner die­ser klei­nen Or­te er­zähl­ten uns im­mer wie­der, sie sei­en nur sel­ten mit dem Zug ge­fah­ren – es sei ei­gent­lich nie Zeit da­für ge­we­sen!
Mann mit Wagen
Wir fahren weiter, pas­sie­ren Lesch­kirch (No­crich) und kom­men nach Holz­men­gen (Hos­man), ei­nem zier­li­chen Ort mit ei­ner se­hens­wer­ten Kir­chen­burg, al­les vom Fo­ga­rasch-Ge­bir­ge – der Mol­do­vea­nu, sein höchs­ter Gip­fel, misst 2.544 Me­ter Hö­he – in ei­ni­ger Ent­fer­nung über­ragt.
Berg
historisches Foto
Haltepunkt Kastenholz (Cașolț): Die Besatzung von Lok 389.001 mit Zug 2273 war­tet im Sep­tem­ber 1967 da­rauf, dass die Sta­tions­vor­ste­her­in das Sig­nal zur Wei­ter­fahrt nach Her­mann­stadt gibt. In gut ei­ner drei­vier­tel Stun­de wird der Zug dort an­kom­men. (Foto: Al­fred Luft aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bo­gen")
Dann fahren wir in Här­wes­dorf (Cor­na­ţel) ein, wo noch im­mer die Flü­gel­bahn nach Burg­berg (Vur­pӑr) ab­zweigt. Doch be­fah­ren wird sie schon lan­ge nicht mehr. Wir ha­ben uns Zeit ge­las­sen, auf un­se­rem Weg hier­her. Haben im­mer wie­der an­ge­hal­ten und den Blick auf das Ge­bir­ge ge­nos­sen.
Gesicht
historisches Foto
In der landschaftlich be­son­ders reiz­vol­len Re­gion zwi­schen Kas­ten­holz und Här­wes­dorf ist 764.013 am 5. Sep­tem­ber 1967 mit ei­nem be­acht­li­chen Gü­ter­zug un­ter­wegs. (Foto: Al­fred Luft aus dem Buch "Klein­bahn im Kar­pa­ten­bo­gen")
Nun ist es bald soweit, dass un­ser Zug aus Her­mann­stadt in Hör­wei­te kom­men müss­te. Wir ha­ben noch kurz Ge­le­gen­heit, die Bahn­meis­te­rei-Drai­si­ne, die hier sta­tio­niert ist, in Au­gen­schein zu neh­men und dann hö­ren wir ihn: Das Horn im­mer wie­der be­tä­ti­gend, nä­hert sich „un­ser“ Schmal­spur­zug.
Hupe
gelbe Draisine wird betankt
Männer stehen vor gelber Draisine
gelbe Draisine auf Gleisen stehend
An der Bahnmeisterei-Drai­sine war im­mer et­was zu wer­keln! Sie war in Här­wes­dorf un­ter­ge­bracht. Die in­for­ma­ti­ve Be­schrif­tung ist nicht zu über­se­hen! (Foto: An­dre­as Mau­solf)
Wir sind ein wenig wei­ter in Rich­tung Her­mann­stadt ge­fah­ren und haben uns ei­nen idea­len Fo­to­stand­ort aus­ge­sucht: Der Zug kommt und scheint bis auf den letz­ten Platz be­setzt zu sein!
Fotoapparat
Die Diesellok blank­ge­putzt, ein Heiz­wa­gen und drei Per­so­nen­wa­gen – das ist schon der gan­ze Zug. Da er in ge­mäch­li­cher Fahrt Här­wes­dorf an­steu­ert, kön­nen wir ihn über­ho­len, um im Bahn­hof und des­sen Um­ge­bung noch das ei­ne oder an­de­re Fo­to ein­rich­ten zu kön­nen.
Zug steht vor einem Bahnhofsgebäude
Am Bahnhof Bä­gen­dorf tref­fen wir auf „mixt 2922“ – er­heb­lich ver­spä­tet, aber voll! Das Ne­ben­gleis hat die Na­tur in­zwi­schen zu­rück er­obert … (Foto: An­dre­as Mau­solf)
Um Viertel nach neun soll der Zug dort sein – das dürf­te pas­sen! Er ver­lässt den Bahn­hof pünkt­lich, als wir schon ein we­nig wei­ter in Rich­tung Ag­ne­theln auf ihn war­ten.
Uhr
Zug fährt durch Landschaft
Landschaft pur zwi­schen Ag­ne­theln und Bä­gen­dorf im Herbst 1999 (Foto: An­dre­as Mau­solf)
Bemerkens­wer­tes pas­siert, als der Zug auf die ge­ra­de Stre­cke ein­schwenkt. Wir ha­ben den Land­wirt nicht be­merkt, der plötz­lich aus den Wei­ten des Rau­mes auf­taucht und eben noch vor dem he­ran­na­hen­den Zug eine Jung­stier-Her­de über die Glei­se trei­ben will.
Tiere auf Schienen
Offenbar lassen sie sich nicht mehr stop­pen und so pas­siert es: Der Lok­füh­rer be­tä­tigt das Sig­nal­horn im Dau­er­mo­dus, An­stal­ten an­zu­hal­ten braucht er nicht mehr zu un­ter­neh­men, das wür­de nichts mehr nüt­zen.
Hupe
Kälber überqueren vor einem Zug die Gleise
Härwesdorf: Fast geschafft! Die Käl­ber auf dem Bahn­über­gang müs­sen noch vor dem Zug über die Glei­se ge­trie­ben wer­den – und es geht glimpf­lich aus. (Foto: An­dre­as Mau­solf)
Radfahrer und Pferde­fuhr­wer­ke ha­ben auf der Stra­ße an­ge­hal­ten, um eben­falls dem Schau­spiel bei­zu­woh­nen. Es sind kei­ne drei­ßig Me­ter mehr zwi­schen der Lok, dem letz­ten über die Glei­se stol­pern­den Stier und dem hin­ter­drein tra­ben­den Land­wirt! Dann rauscht der Zug über den völ­lig un­ge­sich­er­ten Bahn­über­gang: Lok­füh­rer und Bau­er wür­di­gen ein­an­der kei­nes Bli­ckes!
Zug
Für uns heißt es an diesem Vor­mit­tag Ab­schied neh­men von der Schmal­spur­bahn, die nun wie­der ge­mäch­lich das Sig­nal er­tö­nen lässt und in Rich­tung Holz­men­gen und Ag­ne­theln am Ho­ri­zont ver­schwin­det.
Abschied
Zug fährt durch Hügellandschaft
Bei Holzmengen fügt sich die Klein­bahn sanft in den Herbst des Jah­res 1999 ein. (Foto: An­dr­eas Mau­solf)
Wir fahren weiter in Rich­tung Her­mann­stadt. Kurz hin­ter Här­wes­dorf geht die Bahn­stre­cke „ei­ge­ne We­ge“ und trifft bei Moi­chen (Mo­hu) bald auf die Haupt­stre­cke der CFR nach Râm­ni­cu Vâl­cea bzw. Kron­stadt (Bra­șov), die zwi­schen Moi­chen und Her­mann­stadt für die Mit­be­nut­zung der Schmal­spur­bahn drei­schie­nig aus­ge­führt ist.
Gleise
Es ist nur noch eine kurze Pkw-Fahrt, bis Her­mann­stadt vor uns im Tal liegt. Wir freu­en uns auf den Rück­weg, den wir nach un­se­rem Be­such wie­der ent­lang der Schmal­spur­bahn neh­men wer­den.
Nachdem unsere Verab­re­dung in Her­mann­stadt be­en­det ist, bre­chen wir ge­gen drei Uhr auf. Gegen 16:00 Uhr wol­len wir den nach­mit­täg­li­chen Rück­zug, der Ag­ne­theln um 15:20 Uhr ver­lässt, in Al­zen für ein paar Fo­ ;tos er­war­ten. Das ge­lingt und wir be­schlie­ßen, ihm bis Holz­men­gen zu fol­gen. Ein Bild vor der Kir­chen­burg im Abend­licht ist reiz­voll – mal se­hen, ob es funk­tio­niert! Er kommt spät dort an, wahr­schein­lich ei­ni­ge un­er­war­te­te Hal­te, viel­leicht wie­der Jung­stie­re, wer weiß!
Kirchenburg
Das Licht ist in­zwi­schen der­ar­tig schwach ge­wor­den, dass ich am Er­folg des Bil­des zweif­le! Recht schnell für die Schmal­spur­bahn setzt der Lok­füh­rer dann seine Fahrt nach Her­mann­stadt fort, dort möch­te er dann doch pünkt­lich an­kom­men!
Ein Betriebstag der letz­ten Schmal­spur­bahn der CFR geht lang­sam dem Ende ent­ge­gen, als der Zug im ver­blas­sen­den Abend­rot in Rich­tung Her­mann­stadt im Dunst ver­schwin­det.
Zug

Buchcover
Verlag Railway-Media-Group
ISBN: 978390289457-1
Das Buch "Kleinbahn im Kar­pa­ten­bo­gen" zeich­net die Ge­schich­te der Schmal­spur­bahn von Schäß­burg über Ag­ne­theln nach Her­mann­stadt (Si­ghi­so­ara - Ag­ni­ta - Si­biu) von der Vor­ge­schich­te und ih­rer Er­öff­nung im No­vem­ber 1898 bis zum En­de des re­gu­lä­ren Be­triebs im Herbst 2001 nach. Zu­nächst ver­kehr­te die Klein­bahn nur bis Ag­ne­theln, von 1910 an dann bis Her­mann­stadt. Auf dem Ab­schnitt Schäß­burg - Ag­ne­theln er­folg­te be­reits 1965 die Still­le­gung, so­dass for­tan nur noch zwi­schen Ag­ne­theln und Her­mann­stadt Be­trieb statt­fand. Des­sen Fahr­plan erfuhr ab den 1980er Jah­ren ei­ne kon­ti­nu­ier­li­che Aus­dün­nung, die im Herbst 2001 schließ­lich oh­ne An­kün­di­gung in der Ein­stel­lung mün­de­te. Das Buch geht auch auf die Ak­ti­vi­tä­ten ei­nes in­ter­na­tio­nal be­setz­ten Ver­eins ein, dem es zu ver­dan­ken ist, dass be­reits auf sie­ben Ki­lo­me­tern der Stre­cke ge­le­gent­lich wie­der Son­der­zü­ge fah­ren kön­nen. Un­ter fol­gen­den In­ter­net­adres­sen kann man sich über ak­tu­el­le Ver­eins­ak­ti­vi­tä­ten und den Stand der Ar­bei­ten in­for­mie­ren: www.die-wusch.de, www.sibiuagnitarailway.com sowie bei Facebook.
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