Orthodoxe Klöster und evangelische Kirchenburgen

Eine Kulturreise durch die Bukowina und Siebenbürgen

glitzernde Goldglocke

Ruhig liegt das Dorf eingerahmt von sanften Hügeln und saftiggrünen Wiesen vor uns. Nur ein Hahn in der Nachbarschaft durchbricht die sonntägliche Stille in Manastirea Humorului, einem beschaulichen Dorf in der Bukowina.

Die Mitglieder unserer kleinen Reisegruppe befanden sich erst gestern noch in einer etwas andren Welt, tausend Kilometer westlich. Hier in den Dörfern der Bukowina läuft das traditionelle bäuerliche Leben nach einem Rhythmus, der in Westeuropa lange vergangen ist. Alles wirkt sehr beschaulich; aber der Alltag ist von harter Arbeit in der eigenen kleinen Landwirtschaft geprägt.

Mann harkt Heu

Auch unsere Gastfamilie lebt neben der Pension von einer kleinen Landwirtschaft mit wenigen Kühen, Schweinen und einigen Schafen.
Gastfreundschaft wird in Rumänien großgeschrieben und in der Bukowina besonders. Das spüren wir auch bei unserer Gastgeberin Elena, die noch dazu eine hervorragende Köchin ist. Ihre Gäste verwöhnt sie mit einheimischen Spezialitäten, deren Zutaten überwiegend aus dem eigenen Stall und Garten stammen.

Dächer und im hinergrund das Dach der Kirche
Doch nicht nur die Gastfreundschaft ist hier herausragend: Die Bukowina ist durch ihre vielen bemalten Klöster bekannt. Sieben von ihnen stehen wegen ihrer besonderen Innen- und Außenbemalung unter dem Schutz der UNESCO. Nur in dieser Gegend Europas konnte während einer Aufbruchsphase des Fürstentums Moldau im 15. Jahrhundert und dem Stiftertum seiner Herrscher dieses einzigartige kunsthistorische Ensemble entstehen.
bemalte Klosteraussenwand
Auch unser kleines Dorf Manastirea Humorului beherbergt ein solches Kloster. Wir besuchen es gleich am Vormittag. Auf der Straße in der Dorfmitte bauen einige Frauen ihre Verkaufsstände mit landstypischen Handarbeiten auf: farbenfrohe selbstgewebte Teppiche, umhäkelte Tischdecken, traditionelle Kleidung und die bekannten sehr filigran und bunt bemahlten Eier; ein wenig Touristen-Kitsch darf natürlich nicht fehlen.
bunte Teppich am Verkaufsstand
Schon am Eingangstor zum Kloster fällt einem die von einem kräftigen Rot dominierte Südseite der Kirche auf. Sie zeigt den Akathistos-Hymnos, ein Lobgesang in 24 Strophen. Jedes Bild entspricht einer Strophe. Es werden Szenen aus dem Leben Jesu und Marias gezeigt, Apostel, Mönche und Bischöfe sind zu sehen.
bemalte Kirchenwand

Auf der Klosterrundfahrt des nächsten Tages besuchen wir die Klöster Moldovita, Sucevita und Arbore - ein kunsthistorischer Höhepunkt.
Die Klöster liegen in einer lieblichen Landschaft. Es sind gepflegte Anlagen. Nur die wenigsten Klöster schauen auf eine lange Tradition eines klösterliches Lebens zurück. Erst seit der Wende 1989 können die Klosterkirchen, die manchmal 200 Jahre von der Dorfgemeinschaft genutzt wurden, wieder ihrer eigentlichen Funktion im Kloster gerecht werden.
Jede Kirche präsentiert dem Besucher ihre Besonderheit. In Moldovita wird die Belagerung Konstantinopels gezeigt: Bogenschützen zielen auf die persischen Angreifer, es werden Kämpfe auf der Stadtmauer gezeigt, eine Prozession mit Marienbildern schreitet vorüber. Dem moldauischen Bauern des 15. und 16. Jahrhunderts sollte mit diesen Darstellungen nochmals die Türkengefahr seiner Zeit vor Augen geführt werden; frühe Propaganda.

gemalter Kampf

Auffallend ist die über eine riesige Fläche sehr filigran gemalte Wurzel Jesse in Moldovita: Es ist der Stammbaum Jesu, der von Jesse, dem Vater Davids ausgeht. Über 100 Figuren, wie die Könige Israels, die Propheten, Heilige und einige Philosophen der griechischen Antike sind zu sehen.
Sucevita tritt durch die Himmelsleiter des Johannes Klimakos hervor. Sie teilt die Nordwand diagonal in zwei Teile: in Himmel und Hölle. Die 30 Sprossen der Leiter symbolisieren die Tugenden. Im oberen Teil schweben Engel in perfekter Ordnung und nehmen die tugendhaften Menschen, die die Leiter erklimmen zu sich; im unteren Teil herrscht Chaos: dunkle Dämonen und die Körper der Untugendhaften wirbeln wild durcheinander. Sie werden von der Leiter heruntergezogen, manche klammern sich verzweifelt an sie.
In Arbore können wir ausdrucksstarke Szenen aus dem Leben des Sfântu Gheorghe (Heiliger Georg) sehen: wie er sich weigert, seinem Glauben abzuschwören, daraufhin in einem Kessel gekocht und später über einem Feuer geröstet wird, einen Drachen bezwingt und ihn dem Kaiser überbringt.
Viele starke Eindrücke, die unsere Gruppe für einige Stunden in die Gefühls- und Gedankenwelt der Menschen früherer Jahrhunderte zurückversetzt hat.

bemalte Kirchenwand

Eine kleine Wanderung über duftende blumenreiche Wiesen führt uns am nächsten Morgen zu einem weiteren Kloster der Gegend. Es wird wegen seiner imposanten Darstellung des Jüngsten Gerichtes in fünf Bildstreifen auch als "Sixtinische Kapelle des Ostens" bezeichnet: Das Kloster Voronet.
Den Besucher erwartet ein beindruckendes Fresko, das von einem kräftigen Blau beherrscht wird. Da entdeckt man, wie Moses den Ungläubigen, die hier als Juden, Türken, Tataren, Armenier und Römer dargestellt worden sind, den Thron zeigt; da hält die göttliche Hand die Waage; man sieht grinsende Teufel, das Höllenfeuer; es werden Szenen aus der Auferstehungsgeschichte gezeigt; David, der auf einem Saiteninstrument, der noch heute in der Moldau verwendeten cobza spielt.

Ortswechsel. Wir verlassen die malerische Landschaft der Bukowina und zwängen uns durch die imposante Bicaz-Schlucht. Über einen 1250 Meter hohen Karpatenpass gelangen wir nach Transsilvanien (Siebenbürgen). Über Hügel, durch eine weite Landschaft, die bäuerlich geprägt ist, gelangen wir auf die Hochebene des Tara Bârsei (Burzenland). Unser Ziel heißt Brasov (Kronstadt). Die Geschichte dieses Landstriches ist beispielhaft für das multiethnische Siebenbürgen. Hier wohnen Rumänen, Ungarn, Roma (Tigani - wie sich viele selbst nennen) und Deutsche.
Wir wollen uns in den nächsten Tagen aber besonders mit den Kirchen der Deutschen, der Siebenbürger Sachsen beschäftigen und erfahren, dass bis zum Zweiten Weltkrieg etwa 700.000 Deutsche in Siebenbürgen wohnten. Krieg und Kommunismus als Ursache für die Abwanderung der Deutschen ließ die Zahl auf heute etwa 50.000 sinken.

Wir sind auf dem Weg in zwei siebenbürgisch-sächsische Dörfer. In Tartlau und Honigberg befinden sich zwei imposante Beispiele der typischen Kirchenburgen.

Kirchenburg
Ähnlich der Moldauklöster bedurfte es bestimmter historischer Begebenheiten, dass hier in Siebenbürgen zahlreiche Kirchenburgen entstanden. Die Tartlauer Kirchenburg ist die östlichste ihrer Art und besonders gut erhalten geblieben. Wegen der ungünstigen Lage des Ortes machten sich die Einwohner seit dem 15. Jahrhundert daran, ihre Kirche gegen die Angreifer aus dem Osten besonders stark zu befestigen. Immer wieder wurde Siebenbürgen als Vorposten der Christenheit von Mongolen, Türken, Tataren, Kosaken und Moldauern angegriffen - auch Tartlau. Doch die hiesige Kirche konnten sie nie einnehmen.
Wehrgang

Vor der Kirchenburg spielen mehrere Kinder lautstark Fußball, eine alte Frau überquert den staubigen Dorfplatz. In der Dorfkneipe sitzen einige Männer bei Bier und Kartenspiel zusammen. Sie schauen kurz zu uns herüber bevor wir durch mehrere Torbögen in das Innere der Anlage gelangen. In deren kreisrunder Mitte steht eine schmucke Kreuzkirche aus dem 13. Jahrhundert. Die erst 200 Jahre später begonnene Umwallung der Kirche beherbergt etwa 200 Kammern, in die sich die Einwohner bei Gefahr mit ihren Vorräten zurückziehen konnten. Über ein Labyrinth von Treppen und Aufgängen sind diese in vier Geschossen übereinanderliegenden Kammern miteinander verbunden.

Nach der Besichtigung der Anlage in Honigberg sind wir wieder auf dem Rückweg nach Brasov. Am Nachmittag bummeln wir durch die Gassen der sehr lebendigen Stadt.

Hausansicht
Wir erfahren von der Stadtgründung durch den Deutschen Ritterorden, schauen uns die imposante evangelische Schwarze Kirche an (sie ist nicht schwarz, war es aber mal nach einem Stadtbrand im 17. Jahrhundert), entdecken schmucke Bürgerhäuser und gehen entlang der fast weitgehend erhaltenen Stadtbefestigung.
Fluss mit Stadtmauer
So findet man hier im südöstlichen Winkel Siebenbürgens Häuser mit vertrauten deutschen Inschriften und ein historisches Stadtbild, dass es in Deutschland seit Krieg und Wirtschaftswunder nicht mehr gibt.
verzierte Hausfront
Der nächste Morgen bringt uns eine andere Geschichte Brasovs auf sehr lebendige Weise näher: Der Pfarrer und Universitätsprofessor Oltean, ein sehr sympathischer Herr, zeigt uns seine Schätze früher rumänischer Kultur, die in einer liebevoll gestalteten Ausstellung im Gebäude der ersten rumänischen Schule zu bestaunen sind. Oltean hat hier im Laufe der Jahre frühe rumänische Drucke, Handschriften, religiöse Kunst- und Gebrauchsgegenstände und vieles mehr zusammengetragen. Man kann seine Begeisterung nachvollziehen, wenn er berichtet, wie er einige Bücher des 17. und 18. Jahrhunderts entdeckte, die notdürftig in Zementsäcke eingeschlagen auf dem Dachboden der gegenüber liegenden Kirche lagerten.
Museum
Es ist ein beeindruckender Blick und entschädigt für den 90minütigen Aufstieg: Die Aussicht vom Hausberg der Brasover auf ihre 300 Meter unter uns liegende Altstadt mit den kleinen, verwinkelten Gassen, dem freistehenden Rathaus mit Marktplatz und den vielen roten Dächern der Häuser.
Brasov von oben
Eine Seilbahn hilft uns am 1292 Meter hoch, markant aus der Landschaft aufragenden Magura Codlei nicht. Aus der Kleinstadt Codlea, die nur wenige Kilometer von Brasov entfernt liegt, schauen wir unserem Ziel etwas ungläubig entgegen - ein hoher steiler Berg. Der Weg führt uns durch einen alten Wald bergauf, ein Specht hämmert in der Nähe und um den Bären brauchen wir uns keine Gedanken machen, werden wir beruhigt. Kurz vor dem Grat erreichen wir in knapp 1000 Meter Höhe eine malerische Waldwiese. Etwas weiter oben eröffnet sich uns ein weiter Blick in den Karpatenbogen, wo Süd- und Ostkarpaten zusammentreffen. Ganz in der Nähe liegen sehr versteckt und unzugänglich die Ruinen der Schwarzburg, einer Befestigung des Deutschen Ritterordens aus dem 13. Jahrhundert. Damals errichtete der Orden einige Burgen im Burzenland. Der Versuch, hier einen eigenen Staat zu etablieren scheiterte, und der ungarische König verwies sie schon nach wenigen Jahren des Landes.
Ringmauer
Sie waren mir schon auf unserer Fahrt aus der Bukowina nach Siebenbürgen aufgefallen: die allgegenwärtigen Pferdewagen auf den rumänischen Landstraßen. Als wir am nächsten Morgen erneut in Codlea ankommen, erwartet uns schon Ion, der uns mit seinem einfachen Pferdewagen hinauf auf eine Waldwiese am Rande der Kleinstadt fahren wird. Etwas unbeholfen steigen die westlichen Autofahrer auf und die beiden kräftigen, gepflegten Pferde, der ganze Stolz Ions, ziehen den Wagen mit einem Ruck an. Nach wenigen Metern halten wir an.
Wiese mit Heuschober

Hinter einem unscheinbaren Hoftor arbeitet der Volkskünstler Nicolae Diaconu. Der lebensfrohe Mann mittleren Alters bittet uns in sein Atelier. Dort fertigt er etwa 30 Zentimeter hohe Tonfiguren, die rumänische Bauern und Bäuerinnen zeigen: einen Zeitung lesenden Mann, einen auf seinen Stock gestützten Hirten, einen grimmig dreinschauenden Alten. Jede Figur ist ein Unikat mit einem ganz individuellen Ausdruck. An der Wand seines kleinen Ausstellungs- und Verkaufsraums hängen Fotos und Zeitungsausschnitte aus ganz Europa, die über Diaconus Arbeit berichten, sogar bis nach Washington hat er es schon mit seiner Kunst geschafft.
Vor dem Hoftor wartet Ion mit den Pferden. Wir klettern auf den Wagen und es geht los. "Grillen", verrät uns Ion augenzwinkernd, "ist sehr beliebt bei den Rumänen." Sobald es das Wetter am Wochenende zulasse, machen sich die Menschen auf ins Freie. Und so genießen auch wir den Tag bei Gegrilltem, Salat und einem guten rumänischen Bier. Da möchte man am liebsten vergessen, dass es morgen wieder nach Hause geht...

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