Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten


Bericht über eine Rumänien­reise im Jahr 1986 von Eberhard Elsner

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Ich muss aufpas­sen, dass ich nicht zu weit aus­ho­le. Ich wer­de al­so nicht be­rich­ten von der Ar­mee­bu­de und den Kar­ten von Süd-Ost-Eu­ro­pa, ich wer­de ei­ni­ges über­sprin­gen und da­von er­zäh­len, wie ich Gert von den Vor­tei­len ei­ner Rad­tour in Ru­mä­nien vor­schwärm­te. Wir schrei­ben das Jahr 1986 und im Ta­ge­buch ei­ner '86er-Re­te­zat-Wan­de­rung steht:
„Resümee: Rumä­nien – die­ses Jahr nicht wie­der, aber die Aben­teu­er in die­sem Land sind eben un­ver­gess­lich.“
Saalfeld 23. Sep­tem­ber 1986 Nun sind es nur noch we­ni­ge Ta­ge bis zur Ab­fahrt, ich ste­cke mit­ten in den Vor­be­rei­tun­gen, bin wie­der vol­ler gu­ter Vor­sät­ze und der Ak­ku ist voll auf­ge­la­den. Ich hof­fe, dass er nicht so schnell wie­der aus­brennt und ich die Lust ver­lie­re bei den schlech­ten Ver­sor­gungs­be­din­gun­gen. Es geht über drei Wo­chen mit dem Radl nach Ru­mä­nien und die wer­den wir, Gert und ich (viel­leicht noch ein Drit­ter) auch brau­chen.
Die Route in Stich­punk­ten: Mit dem Zug nach Ma­tes­zal­ka (UVR) – Sa­tu Ma­re – Ba­ia Ma­re – Ba­ia Spie – Cav­nic – Sa­pin­ta - Vi­seu de Sus – Bor­sa – Pris­lop-Pass (1416 m) – Tal der Gol­de­nen Bis­tritz – Klös­ter der Mol­dau – Sol­ca (Brau­erei) – Ceah­lau – Bi­caz-Klamm – Geor­ghe­ni - So­va­ta – Si­ghi­soara.
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Für mein Fahr­rad mit dem DDR-Mar­ke­ting­na­men „TopFit & Si­cher“ von Dia­mant wur­de es ei­ne Tour von über drei Jah­ren und mit zwei Pe­da­le­ros. Für mich wur­de es ei­ne bis heu­te he­raus­ra­gen­de Tour, der Ak­ku lief zu kei­nem Zeit­punkt leer.
Bei Rona de Sus 2. Ok­to­ber 1986
In der Maramures scheint al­les aus Holz zu sein: Gro­ße ge­schnitz­te Holz­to­re schmü­cken die Stra­ßen­fron­ten der Ge­höf­te, Schin­del ge­deck­te (lei­der im­mer we­ni­ger an­zu­tref­fend) Holz­häu­ser be­stim­men das Bild der Dör­fer und Streu­sied­lun­gen, aus Holz ge­zim­mer­te Kir­chen mit schlan­ken Tür­men zei­gen den Mit­tel­punkt der aus­ge­dehn­ten Dör­fer an. In die­sen Ort­schaf­ten ha­ben wir uns lan­ge auf­ge­hal­ten, die Holz­kir­chen be­sucht und mit ei­ni­gen Bäu­er­lein ge­spro­chen. Lei­der wa­ren wir wo­chen­tags hier und konn­ten so nicht die far­ben­fro­hen Volks­trach­ten be­wun­dern.
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Eine der vielen Holz­kir­chen wur­de ge­ra­de von zwei Hand­wer­kern res­tau­riert. In der Nä­he die­ser Kir­che wur­den wir von ei­ner Bäu­er­in zum Es­sen ein­ge­la­den. Das Di­cke von der Büf­fel­milch, Speck, Zwie­beln, Wein­trau­ben und 60%igen Zuica.
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Eine Holzkirche wird restauriert: Er sägt die Bretter zurecht,
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… die dann am Turm angenagelt werden.
Plötzlich mitten im Dorf Bu­desti en­de­te der As­phalt­be­lag, doch die wei­te­re Stre­cke ging ei­ni­ger­ma­ßen. Die ho­he Ge­schwin­dig­keit in den Ser­pen­ti­nen der Ab­fahrt vom Pa­sul Ne­te­da oben im Ti­bles-Ge­bir­ge hat­ten mich zwei Spei­chen ge­kos­tet, die Hul­per­stre­cke hier nur ei­ne. Gert woll­te noch ein be­son­de­res Holz­schnit­zer­dorf (Va­lea Ste­ja­ru­lui) be­su­chen, doch da­zu muss­ten wir durch ei­nen Fluss bei Va­du Izei fah­ren. Gert: „Ei­ne klei­ne Ein­la­ge!“ Bis auf ei­ne Fluss­in­sel konn­te ich oh­ne Ab­stei­gen rol­lern, aber durch das von vie­len Blut­egeln ver­seuch­te Was­ser woll­te ich nicht wa­ten.
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Dabei hat es bei mir aus­ge­hakt, ich bin al­lein um­ge­kehrt und nach Si­ghe­tul Mar­ma­tiei ge­fah­ren. Dort wur­de mir klar, was das für ein Un­sinn war. Man hät­te we­nigs­tens erst ein­mal sich ver­stän­di­gen müs­sen und ei­nen Treff­punkt ver­ein­ba­ren sol­len. Ich bin dann noch bis Ein­bruch der Dun­kel­heit Rich­tung Wi­schau über Ober­roh­nen hi­naus ge­fah­ren und dann an ei­nem loc de odih­na ge­booft. Vor­her in Si­ghe­tul mit ape mi­na­ra­le und pai­ne ver­sorgt. Ich den­ke, dass wir uns in in Ober­wi­schau wie­der tref­fen wer­den, das sind von hier aus nur noch 40 km.
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Viseu de Sus 3. Ok­to­ber 1986
Aus meiner Boofe gleich oh­ne Frühs­tück auf's Rad, aber nur knapp fünf Ki­lo­me­ter als Früh­sport ge­fah­ren. Ich bin hier auf ei­ner Stra­ße in ei­nem Forst­re­ser­vat – Auf­fors­tung, wenn ich die Schil­der rich­tig ver­ste­he. An die­ser Stra­ße gab es vie­le loc de odih­na, an ei­nem die­ser Plät­ze ha­be ich Halt ge­macht, mich ge­wa­schen und ge­früh­stückt. Da­bei ha­be ich mir viel Zeit ge­las­sen, in der Hoff­nung, die bei­den Kum­pels kom­men an­ge­fah­ren. Ich weiß nun im­mer noch nicht, sind sie vor mir oder nicht. Über ei­nen klei­nen Pass mit tol­ler Aus­sicht auf die Land­schaft des un­te­ren Wi­schau-Ta­les fah­re ich über Ser­pen­ti­nen hi­nun­ter nach Pe­tro­va und Leor­dina.
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Dort eine Flasche Bier ge­trun­ken, ent­spricht ei­nem Li­ter. Im nächs­ten La­den gab's go­go­si cu brin­cu und Knob­lauch. Da­von Durst be­kom­men und zu­rück zur Quel­le des Bie­res, da­von wie­der Ap­pe­tit, al­so zu­rück zum go­go­si-Stand, zwei Wie­der­ho­lun­gen, … oh, ich muss ja noch auf's Rad! An­kunft in Ober­wi­schau. Ich bin jetzt der Mei­nung, dass ich von uns Drei­en der Ers­te hier bin, ich ha­be al­le mar­kan­ten Plät­ze, sprich Knei­pen ab­ge­sucht. Jetzt sit­ze ich im Res­tau­rant „Mi­ne­rul“ beim Bier. Vor­her ha­be ich mich um die Kir­che he­rum­ge­drückt, in der Hoff­nung Leu­te deut­scher Spra­che zu fin­den und sie nach Flei­schers, Gerts Be­kann­ten hier am Ort, zu fra­gen. So wür­den sich si­cher al­le Fra­gen klä­ren. Es ist jetzt 15 Uhr.
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Viseu de Sus, bei Fleischers
Meine Suche nach einer Fa­mi­lie mit Na­men Flei­scher hat­te dop­pel­ten Er­folg: Ei­ne Adres­se in der Zip­se­rei, ei­nem Vier­tel der aus Zips in der Slo­wa­kei vom hie­si­gen Berg­bau her­bei ge­ru­fe­nen Deut­schen und in ei­nem Neu­bau­block, ein Pro­fes­sor des ört­li­chen Gym­na­si­ums. Mir wur­de ge­sagt, der Pro­fes­sor wä­re ge­ra­de mit sei­nem Kind auf ei­nem Spa­zier­gang, al­so woll­te ich in ei­nem klei­nem Park vor dem Block war­ten. Da fuh­ren die Kum­pels vor­bei – wir fei­er­ten gro­ßes Wie­der­se­hen beim Bier, von mir selbst­ver­ständ­lich aus­ge­ge­ben. Die Adres­se in der Zip­se­rei wä­re die Rich­ti­ge ge­we­sen. Es folg­te ei­ne herz­li­che Auf­nah­me in der Fa­mi­lie Flei­scher. Zui­ca, Boh­nen­pü­ree mit ge­bra­te­ner Wurst, wie­der Schnaps (Gold­kro­ne) und Plau­dern, wie Ma­ria im­mer sag­te. Dann konn­ten wir mal wie­der in ei­nem rich­ti­gen Bett schla­fen.
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Valea Vinului 4. Okt. 1986
Heute mit der „Koffie­miehl“, mit der Va­ser­tal­bahn ge­fah­ren, ei­ner al­ten Forst­bahn. Zur Zeit ras­ten wir ge­ra­de wäh­rend des Spa­zier­gangs zu­rück nach Ober­wi­schau. Wir sind nicht rich­tig weit ge­nug rein ge­fah­ren in das Ma­ra­mu­res-Ge­bir­ge. Wenn man hin­ter die To­roia­ga will, muss man sehr früh auf­ste­hen und um 5 Uhr am Bahn­hof er­schei­nen, um mit dem Bähn­le mit­zu­kom­men. Wolf­gang klagt über sei­ne Knie – ist schon das En­de der Tour in Sicht? Mei­ne Bat­te­rien sind noch schön auf­ge­laden.
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Die Koffiemiehl im Vaser-Tal
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Vmax 25km/h
Am Abend konnten wir noch ganz neue Men­schen wer­den – es war ge­ra­de im Wohn­block der Toch­ter von Flei­schers der Tag des war­men Was­sers und wir konn­ten ba­den. War­mes Was­ser gibt es in den Blocks im­mer ab­wech­selnd Sonn­abends und Don­ners­tags. Das kos­tet nur die ge­rin­ge Mie­te, also kom­men al­le Fa­mi­lien­mit­glie­der und de­ren Gäs­te zum Ba­de­tag zu­sam­men. Hin­ter­her sa­ßen wir noch zum Plau­dern zu­sam­men, es gab Schnaps. Ich ha­be nie­mals so­viel wie hier ge­trun­ken und ver­tra­gen.
Bei Familie Fleischer in Oberwischau 5. Ok­to­ber 1986
Schön lange geschla­fen und dann zum Fa­mi­lien­aus­flug nach Va­lea Vi­nu­lui auf­ge­bro­chen. Es wur­de al­les Not­wen­di­ge zum Gril­len mit­ge­nom­men: Ein ru­mä­ni­sches trag­ba­res Pa­tent­rost, ein frisch ge­schlach­te­ter Ha­se, ein Li­ter Schnaps, ein Li­ter Wein, viel Knob­lauch.
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Der Weg führte durch herrliche Herbst­land­schaft über ei­nen Berg­rü­cken hin­weg. An ei­nem Mi­ne­ral­brun­nen, leicht schwe­fel­hal­tig, ha­ben wir dann ge­ras­tet und ge­grillt. Es war ein ganz tol­les Er­leb­nis, nicht so für „Lord“, dem Hund von Flei­schers. Der muss­te ob des reich­lich mit Knob­lauch ge­würz­ten Flei­sches kot­zen. Rück­wärts schau­ten wir noch bei den Schwie­ger­el­tern der Toch­ter von Flei­schers rein, denn die Mut­ter hat­te Ge­burts­tag. An ei­nem Tisch hier im Nor­den Ru­mä­niens sa­ßen dann zwei Zip­se­rin­nen, ein Sie­ben­bür­ge­ner Sach­se, ein Rus­se, drei DDR-Deut­sche und ein „Halb­rus­se“ (so je­den­falls nann­ten Flei­scher ih­ren Schwie­ger­sohn) zu­sam­men. Das war ei­ne ty­pi­sche Run­de in die­ser Ge­gend. Es hät­ten noch Hu­zu­len und Un­garn da sein kön­nen. Wir pa­cken un­se­re Ta­schen für die Wei­ter­fahrt über den Pris­lop-Pass hi­nü­ber in die Bu­ko­wi­na. Es wa­ren drei sehr schö­ne Ta­ge hier in Ober­wi­schau bei den Fleischers. Wir ge­hör­ten zur Fa­mi­lie, aber ich freue mich wie­der auf mein Rad wie am ers­ten Tag.
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Maramures-Gebirge am Prislop-Pass
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Cirlibaba: Wo die Häuser Hemden tragen
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Im Großen und Ganzen ist der Plan auf­ge­gan­gen, wir be­such­ten noch die Mol­dau­klös­ter, durch­quer­ten die Kar­pa­ten an der Bi­caz-Klamm und sa­hen das be­rühm­te Schloss der Sa­kris­tei­tür in Biert­hälm. Mein Rad la­ger­te ich bei der Küs­ter­fa­mi­lie Heltsch in der Berg­kir­che für wei­te­re Aben­teuer ein. Und aus Wolf­gang wur­de Odys­seus:
Nachbemerkung: Wolfgang ist in Geor­gheni in die glei­che fal­sche Rich­tung ge­fah­ren wie wir, nur hat er sei­nen Irr­tum nie be­merkt. Ja, er glaub­te Si­ghi­so­ara/Schäß­burg er­reicht zu ha­ben, aber er war in Tir­gu Mu­res im Zoo ge­landet.
Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo) Eberhard Elsner
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