Um von Bayern nach Rumänien zu gelangen, bewarb ich mich bei Alfred Broos im Rennkuckuckportal um eine Mitfahrgelegenheit. Ich empfehle Alfred Broos und seinen Freund sehr! Nach sechzehn Stunden stand ich an der LKW Peripherie von Sibiu. Tankstelle: schnell noch eine Pappe holen für ein schönes großes Schild! Eine Frau sprach ich mit "varog bagage..." an, den Rest des Gespräches führten wir in Deutsch. Nach 30 Minuten hob ich das erste mal in meinem Leben eine Dreiundzwanzigkilokraxe in eine Fahrerkanzel.
Bald darauf waren die schneebedeckten Karpaten zu sehen, wir zogen mit unserem Truck ins Olttal. Erste Rumänischkenntnisse waren jetzt gefragt und wir erkannten, daß mein Ziel und seines nur fünf Kilometer auseinander lagen.
Manastiera Hurezu.
Bekannte von ihm brachten mich die enge Straße mit dem PKW bis vor das Tor des Klosters. Erster Eindruck - geschafft! Es sah für mich aus wie der Pottala in Lhasa mit seiner hohen weißen Fassade, im Hintergrund die Berge. Kraxe auf, noch ein paar Meter... geschafft, Unterkunft! Ganz so viel Glück hat kein Mensch. Die Klosterherberge im ehemaligen Spital war total voll: Pfingsten, Orthodoxes Pfingsten natürlich, was sonst - Julianischer Kalender. Keine Pension hatte frei und beim Bauern zu fragen traute ich mich mangels Erfahrung noch nicht und da ich vermute, daß dann ohne Pflaumenschnaps nichts läuft, ließ ich es erst einmal ganz.
Also Plan B: die old scool Variante mit Zelt am Fluß bei Hängebrücke, Baden gehen, Kocher raus, Tee, Natur, Freiheit und Kühe. Gerade mal so hatte ich alle meine Utensilien gerecht in der Landschaft verteilt, kam schon ein Ford Range Rover von gegenüber aus dem Wald. Mit ein paar Zigaretten ist das gleich geklärt, denke ich noch, als mich eine energische Frauenstimme in eine andere Situation mitnimmt: Was will ich hier und warum, wo ist mein Passport, kann ich Französisch, ist kein Platz im Ort frei, bin ich singul (single), bleibe ich nur für eine Nacht (noapte), bin ich pelerinu (Pilger). Die Novizin die auf dem Beifahrersitz bleiben mußte, kicherte ab und an, ich hatte ja nur meine nassen Boxershorts und ein Kapuzenshirt an. Ich sah bestimmt auch sehr verdattert drein, denn irgendwann winkte die Staritza einfach ab und ließ mich gewähren. Die Nacht konnte jetzt kommen. Vorher gab es für mich noch ein orthodoxes Pfingstläuten vom Kloster herüber auf dessen Boden mein kleines Lager stand. Als der Morgen dann da war und die Rückenschmerzen auch noch, stand hinter mir ein Bienenwagen mit auf der Wiese. Fazit: tief geschlafen - nichts gemerkt. Ein leises Bimmeln kündigte Kühe und Ziegen an, Ziegen sind meine Lieblingstiere und so neugierig, daß sie gleich da waren, mein Zelt und alles beschnupperten. Indess nahm der Hirtenhund blitzschnell mein Brot in den Fang und war zwischen den Sträuchern versteckt. Nach fünf Minuten kam der Hirte an mir vorbei und fluchte. Ich erklärte: "canus paine..." (Handbewegung in Richtung Sträucher). Er suchte nicht weiter rief noch ein-, zweimal und ging zu den Wiederkäuern zurück. Nach einer Weile hörte ich noch lautes Schimpfen, der Hund war jetzt wieder im Dienst. Dieses Brot vom Bäcker aus Issigau war das einzige, was man mir in Rumänien gestohlen hat...
Teil II: Manastiera Polovrag und die Oltet-Klamm
Nach Polovrag gelangte ich mit einem LKW etwas weiter zum Ortseingang von Baia de Fier. Das war leichter anzusteuern und nebenbei konnte ich das Panorama von Polovrag mit den beiden Berggipfeln, die die Oltlet auf eine Klamm von nur zwei Metern pressen ausgiebiger und eindrücklicher sehen. Gleich darauf hielt ein Bus voll mit Schulkindern, der mich nach Manastiera Polovrag fragte, denn Wanderer kennen sich ja aus... Gemeinsam fanden wir zum Ziel. Natürlich bekam ich einen Sitzplatz angeboten. Es erstaunte mich vor allem die hohe Disziplin der Mädchen und Jungen und die freundliche Bestimmtheit der Lehrerinnen (Später erlebte ich das noch zweimal). Auf Grund der Hitze ließ unser Fahrer jetzt einfach mal die Tür auf. Rumänien wie ich es liebe - unkompliziert und lebendig. Unser Menschenstrom ergoss sich durch das Holzportal zum Kloster hin.
Die Hauptkirche wird gerade restauriert, Andacht ist im Nebengebäude möglich. Schade, so kann ich den Fresko vom Berg Athos nicht sehen, dafür gehe ich in den hinteren Teil der Anlage durch eine rosenbewachsene Mauerpforte und stehe wahrlich vor einem Kleinod: die Kapelle zu Ehren des Sft. Nikodemus. Das ganze Gebäude passt locker in meine Scheune, denk ich so und schau mir in aller Ruhe das restaurierte Innere an. Alles ist Wandmalerei, kein Winkel ohne Bild oder Ornamente (die ich hier lieben gelernt habe).
Fazit: schöner als meine Scheune, die mit ihren knapp einhundert Jahren nur ein Bruchteil so alt und so heilig ist. Jetzt aber in die Cheile Oltetului! Ich höre kein Wasser tosen, erst an einer ausgeschilderten Stelle steige ich etwas Stufenähnliches hinab und sehe ganz, ganz unten endlich das Wasser blitzen. Geschätzte Tiefe: zwanzig Meter, auf dem Foto fast nur zu ahnen.
Trotz der Hitze habe ich noch ein anderes Ziel. Ich will den Fluss noch einmal queren und am Ufer das T-Shirt trocknen und meine Spaghettis kochen. Auf diese Art und Weise sehe ich noch grandiose Landschaft und Natur. Auf der gesamten Tour hier am Fluss bin ich Alleinunterhalter, solche Träume kann man nur in Rumänien leben. Frisch gestärkt laufe ich die reichliche Stunde zurück zur Zivilisation. Noch einmal raste ich im Klosterhof, schon um zu trinken und zum schauen. Ich erlebe, wie ein Bauer einer etwa dreissig Jahre alten Nonne den nagelneuen Traktor, Marke New Holland, erklärt: Gras mähen usw. bis sie selbst das Steuer in die Hand nimmt und mir ein unvergessliches Bild bietet. An diesem Abend komme ich etwas zäh wieder in meine Pension nach Horezu zurück. Alles in allem hat mein System: von Kloster zu Kloster und zurück in diesem Urlaub hervorragend funktioniert, denn viele wissen wo die Orte sind und Pilger werden allgemein hoch geschätzt.
Teil III: Vom Kloster Tismana auf Brancusis Spuren und zurück bis zur Skite
Am Freitag war Hauptkampftag: mit dem gesamten Gepäck weit über Targu Jiu hinaus fast bis an die alte Grenze der Walachei zum Kloster Tismana. Jetzt zum Samstag wollte ich ein Stück des Weges zurück bis nach Hobita, das etwas abseits der Hauptstrecke liegt; es ist schlichtweg ein kleines Dörfchen wie viele hier. Es gibt aber etwas Besonderes, das will ich heute in aller Ruhe anschauen. Schon war ich bei den ersten Häusern des Ortes Tismana, als aus Richtung Kloster ein Reisebus älteren Typs anbrummte. Arm hoch und winken; na klappt doch! Wiederum waren es Schüler und ein gemischtes Lehrerkolleg, die nach Targu Jiu wollten. Also die halbe Miete dachte ich mir und stieg ein.
In Rumänien wird man immer gefragt, woher man kommt und wohin man will und da ich mich schon erfolgreich äußern konnte, schlug der Fahrer den Lehrern vor, auch zum Geburtshaus von Brancusi, dem großen rumänischen Bildhauer des letzten Jahrhunderts, zu fahren. Klasse! Es war eine gute Truppe und im Museum (Holzhäuschen mit Nebengelass) gab es einen ausführlichen Vortrag über Leben und Werk des 1904 zu Fuß nach Paris ausgewanderten Constantin B.. Die Ruhe und Disziplin der Schülerinnen und Schüler war bemerkenswert... ich hatte Mühe mitzuhalten.
Ich wurde gebeten, mit nach Targu Jiu zu kommen und so können wir am frühen Nachmittag zusammen wieder nach Tismana. OK! Uhrenvergleich, Standort, Startzeit. Vom Brancusi-Park aus, wo der Tisch des Schweigens steht, in einer Blickachse durch das Tor des Ewigen Kusses über die Orthodoxe Kirche zur Säule der Unendlichkeit, ist es nur ein Katzensprung über die Hauptverkehrsstraße zur Markthalle der Stadt.
Hier auf diesem Terrain gibt es alles, was der Mensch in Rumänien so braucht: Milch zum Selbstabfüllen, frisches Obst und Gemüse - alles bio - Nudeln, Brote riesengroß, Holzlöffel, Geschirr und Honig. Kein Vergleich mehr zu 1985, als Petra und ich das letzte mal in Bukarest waren. Einfach nur schlendern, die Händlerinnen beobachten, die Kunden gleichermaßen: ein buntes Marktpanorama, wie ich es in Deutschland nur selten sehe.
Etwas vollbepackt schleppte ich mich zurück in die Fußgängerzone zur kleinen Biserica Sf. Voievozi, um Rast zu machen. 13:30 Uhr fuhren wir alle zusammen wieder in unser Tal - ich hatte noch eine kleine Wanderung geplant. Diesmal suchte ich zum zweiten mal den Einstieg zur Skite, einem Nebenkloster, das bewußt abseits in den Bergwäldern verborgen ist und dadurch schwer zugänglich. Einen Teil der Strecke kannte ich von gestern Abend und diesmal leuchtete nach weit einer Stunde straffen Fußmarsches etwas zwischen den Bäumen, gleich stand ich vor dem Anwesen mit Kirche, Haus und Ziegenställen. Bevor ich etwas rasten konnte, habe ich noch den einen der drei Hunde von meinen Beinen mittels Wanderstöcken weggebracht und die Novizin mit ihrer schwarzen Wollmütze hatte Mühe ihn in einen Verhau zu stecken. Erst einmal Zeit nehmen: Trinken, Essen und die schönen Ziegen beobachten. Auf dieser Skite stand die Zeit still, die Stille wurde nur durch die Hunde oder etwas sanfter von den Wiederkäuern unterbrochen. In den Gärten am Hang wuchsen Tomaten, Obstbäume und Weinreben, leise hörte ich den Bach jetzt. Ich schlug die falsche Richtung ein und die junge Nonne rief mich zurück, um mir die Richtung zum Bergkamm zu weisen. Dort oben sah ich etwas ganz Neues: Gipfel, Berge, Hügel, ab und an eine Hütte und das endlose Panorama der Bergwelt.
Abwärts war es anstrengender und mir war wie schlapp machen. An der Skite vorbei, an den Hunden auch, noch ein Stück zu einem Wegkreuz. Da stand noch eine Plasteflasche mit vermutlich Blumenwasser, die perfekte Gelegenheit für meine Spaghettis hier in der Stille des Waldes. Noch nicht ganz satt und fertig, kam dann doch jemand, ein herrenloser Hund auf der Suche nach Nahrung. Wie sonst auch überließ ich ihm den Rest und ging langsam zum Hotel.