Eine Pilgerreise durch die kleine Walachei


in 3 Teilen


von Eckhard Rohrmaier

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Teil I: Von Hof nach Horezu
Straße
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Um von Bayern nach Ru­mä­nien zu ge­lan­gen, be­warb ich mich bei Al­fred Broos im Renn­ku­ckuck­por­tal um ei­ne Mit­fahr­ge­le­gen­heit. Ich em­pfeh­le Al­fred Broos und sei­nen Freund sehr! Nach sech­zehn Stun­den stand ich an der LKW Pe­ri­phe­rie von Si­biu. Tank­stel­le: schnell noch eine Pap­pe ho­len für ein schö­nes gro­ßes Schild! Ei­ne Frau sprach ich mit "va­rog ba­ga­ge..." an, den Rest des Ge­sprä­ches führ­ten wir in Deutsch. Nach 30 Mi­nu­ten hob ich das ers­te mal in mei­nem Le­ben ei­ne Drei­und­zwan­zig­ki­lo­kra­xe in ei­ne Fah­rer­kan­zel.
Bald darauf waren die schnee­be­deck­ten Kar­pa­ten zu se­hen, wir zo­gen mit un­se­rem Truck ins Olt­tal. Ers­te Ru­mä­nisch­kennt­nis­se wa­ren jetzt ge­fragt und wir er­kann­ten, daß mein Ziel und sei­nes nur fünf Ki­lo­me­ter aus­ein­an­der la­gen.
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Manastiera Hurezu.
Bekannte von ihm brach­ten mich die en­ge Stra­ße mit dem PKW bis vor das Tor des Klos­ters. Ers­ter Ein­druck - ge­schafft! Es sah für mich aus wie der Pot­ta­la in Lha­sa mit sei­ner ho­hen wei­ßen Fas­sa­de, im Hin­ter­grund die Ber­ge. Kra­xe auf, noch ein paar Me­ter... ge­schafft, Un­ter­kunft! Ganz so viel Glück hat kein Mensch. Die Klos­ter­her­ber­ge im ehe­ma­li­gen Spi­tal war to­tal voll: Pfings­ten, Or­tho­do­xes Pfings­ten na­tür­lich, was sonst - Ju­lia­ni­scher Ka­len­der. Kei­ne Pen­sion hat­te frei und beim Bau­ern zu fra­gen trau­te ich mich man­gels Er­fah­rung noch nicht und da ich ver­mu­te, daß dann oh­ne Pflau­men­schnaps nichts läuft, ließ ich es erst ein­mal ganz.
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Also Plan B: die old scool Va­rian­te mit Zelt am Fluß bei Hän­ge­brü­cke, Ba­den ge­hen, Ko­cher raus, Tee, Na­tur, Frei­heit und Kü­he. Ge­ra­de mal so hat­te ich al­le mei­ne Uten­si­lien ge­recht in der Land­schaft ver­teilt, kam schon ein Ford Range Ro­ver von ge­gen­über aus dem Wald. Mit ein paar Zi­ga­ret­ten ist das gleich ge­klärt, den­ke ich noch, als mich ei­ne ener­gi­sche Frau­en­stim­me in ei­ne an­de­re Si­tua­tion mit­nimmt: Was will ich hier und wa­rum, wo ist mein Pass­port, kann ich Fran­zö­sisch, ist kein Platz im Ort frei, bin ich sin­gul (sing­le), blei­be ich nur für ei­ne Nacht (noap­te), bin ich pe­le­ri­nu (Pil­ger). Die No­vi­zin die auf dem Bei­fah­rer­sitz blei­ben muß­te, ki­cher­te ab und an, ich hat­te ja nur mei­ne nas­sen Bo­xer­shorts und ein Ka­pu­zen­shirt an. Ich sah be­stimmt auch sehr ver­dat­tert drein, denn ir­gend­wann wink­te die Sta­rit­za ein­fach ab und ließ mich ge­wäh­ren. Die Nacht konn­te jetzt kom­men. Vor­her gab es für mich noch ein or­tho­do­xes Pfingst­läu­ten vom Klos­ter he­rü­ber auf des­sen Bo­den mein klei­nes La­ger stand. Als der Mor­gen dann da war und die Rü­cken­schmer­zen auch noch, stand hin­ter mir ein Bie­nen­wa­gen mit auf der Wie­se. Fa­zit: tief ge­schla­fen - nichts ge­merkt. Ein lei­ses Bim­meln kün­dig­te Kü­he und Zie­gen an, Zie­gen sind mei­ne Lieb­lings­tie­re und so neu­gie­rig, daß sie gleich da wa­ren, mein Zelt und al­les be­schnup­per­ten. In­dess nahm der Hir­ten­hund blitz­schnell mein Brot in den Fang und war zwi­schen den Sträu­chern ver­steckt. Nach fünf Mi­nu­ten kam der Hir­te an mir vor­bei und fluch­te. Ich er­klär­te: "ca­nus pai­ne..." (Hand­be­we­gung in Rich­tung Sträu­cher). Er such­te nicht wei­ter rief noch ein-, zwei­mal und ging zu den Wie­der­käu­ern zu­rück. Nach ei­ner Wei­le hör­te ich noch lau­tes Schimp­fen, der Hund war jetzt wie­der im Dienst. Die­ses Brot vom Bä­cker aus Is­si­gau war das ein­zi­ge, was man mir in Ru­mä­nien ge­stoh­len hat...
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Teil II: Manastiera Polovrag und die Oltet-Klamm
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Nach Polovrag ge­lang­te ich mit ei­nem LKW et­was wei­ter zum Orts­ein­gang von Bai­a de Fier. Das war leich­ter an­zu­steu­ern und ne­ben­bei konn­te ich das Pa­no­ra­ma von Po­lo­vrag mit den bei­den Berg­gip­feln, die die Olt­let auf ei­ne Klamm von nur zwei Me­tern pres­sen aus­gie­bi­ger und ein­drück­li­cher se­hen. Gleich da­rauf hielt ein Bus voll mit Schul­kin­dern, der mich nach Ma­nas­tiera Po­lovrag frag­te, denn Wan­de­rer ken­nen sich ja aus... Ge­mein­sam fan­den wir zum Ziel. Na­tür­lich be­kam ich ei­nen Sitz­platz an­ge­bo­ten. Es er­staun­te mich vor al­lem die ho­he Dis­zi­plin der Mäd­chen und Jun­gen und die freund­li­che Be­stimmt­heit der Leh­re­rin­nen (Spä­ter er­leb­te ich das noch zwei­mal). Auf Grund der Hit­ze ließ un­ser Fah­rer jetzt ein­fach mal die Tür auf. Ru­mä­nien wie ich es lie­be - un­kom­pli­ziert und le­ben­dig. Un­ser Men­schen­strom er­goss sich durch das Holz­por­tal zum Klos­ter hin.
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Die Hauptkirche wird ge­ra­de res­tau­riert, An­dacht ist im Ne­ben­ge­bäu­de mög­lich. Scha­de, so kann ich den Fres­ko vom Berg At­hos nicht se­hen, da­für ge­he ich in den hin­te­ren Teil der An­la­ge durch ei­ne ro­sen­be­wach­se­ne Mau­er­pfor­te und ste­he wahr­lich vor ei­nem Klein­od: die Ka­pel­le zu Eh­ren des Sft. Ni­ko­de­mus. Das gan­ze Ge­bäu­de passt lo­cker in mei­ne Scheu­ne, denk ich so und schau mir in al­ler Ru­he das res­tau­rier­te In­ne­re an. Al­les ist Wand­ma­le­rei, kein Win­kel oh­ne Bild oder Or­na­men­te (die ich hier lie­ben ge­lernt habe).
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Fazit: schöner als meine Scheu­ne, die mit ih­ren knapp ein­hun­dert Jah­ren nur ein Bruch­teil so alt und so hei­lig ist. Jetzt aber in die Chei­le Ol­te­tu­lui! Ich hö­re kein Was­ser to­sen, erst an ei­ner aus­ge­schil­der­ten Stel­le stei­ge ich et­was Stu­fen­ähn­li­ches hi­nab und se­he ganz, ganz un­ten end­lich das Was­ser blit­zen. Ge­schätz­te Tie­fe: zwan­zig Me­ter, auf dem Fo­to fast nur zu ah­nen.
Schlucht
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Trotz der Hitze habe ich noch ein an­de­res Ziel. Ich will den Fluss noch ein­mal que­ren und am Ufer das T-Shirt trock­nen und mei­ne Spa­ghet­tis ko­chen. Auf die­se Art und Wei­se se­he ich noch gran­dio­se Land­schaft und Na­tur. Auf der ge­sam­ten Tour hier am Fluss bin ich Al­lein­un­ter­hal­ter, sol­che Träu­me kann man nur in Ru­mä­nien le­ben. Frisch ge­stärkt lau­fe ich die reich­li­che Stun­de zu­rück zur Zi­vi­li­sa­tion. Noch ein­mal ras­te ich im Klos­ter­hof, schon um zu trin­ken und zum schau­en. Ich er­le­be, wie ein Bau­er ei­ner et­wa dreis­sig Jah­re al­ten Non­ne den na­gel­neu­en Trak­tor, Mar­ke New Hol­land, er­klärt: Gras mä­hen usw. bis sie selbst das Steu­er in die Hand nimmt und mir ein un­ver­gess­li­ches Bild bie­tet. An die­sem Abend kom­me ich et­was zäh wie­der in mei­ne Pen­sion nach Ho­re­zu zu­rück. Al­les in al­lem hat mein Sys­tem: von Klos­ter zu Klos­ter und zu­rück in die­sem Ur­laub her­vor­ra­gend funk­tio­niert, denn vie­le wis­sen wo die Or­te sind und Pil­ger wer­den all­ge­mein hoch ge­schätzt.
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Teil III: Vom Kloster Tismana auf Brancusis Spuren und zurück bis zur Skite
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Am Freitag war Haupt­kampf­tag: mit dem ge­sam­ten Ge­päck weit über Tar­gu Jiu hi­naus fast bis an die al­te Gren­ze der Wa­la­chei zum Klos­ter Tis­ma­na. Jetzt zum Sams­tag woll­te ich ein Stück des We­ges zu­rück bis nach Ho­bi­ta, das et­was ab­seits der Haupt­stre­cke liegt; es ist schlicht­weg ein klei­nes Dörf­chen wie vie­le hier. Es gibt aber et­was Be­son­de­res, das will ich heu­te in al­ler Ru­he an­schau­en. Schon war ich bei den ers­ten Häu­sern des Or­tes Tis­ma­na, als aus Rich­tung Klos­ter ein Rei­se­bus äl­te­ren Typs an­brumm­te. Arm hoch und win­ken; na klappt doch! Wie­de­rum wa­ren es Schü­ler und ein ge­misch­tes Leh­rer­kol­leg, die nach Tar­gu Jiu woll­ten. Al­so die hal­be Mie­te dach­te ich mir und stieg ein.
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In Rumänien wird man im­mer ge­fragt, wo­her man kommt und wo­hin man will und da ich mich schon er­folg­reich äu­ßern konn­te, schlug der Fah­rer den Leh­rern vor, auch zum Ge­burts­haus von Bran­cusi, dem gro­ßen ru­mä­ni­schen Bild­hau­er des letz­ten Jahr­hun­derts, zu fah­ren. Klas­se! Es war ei­ne gu­te Trup­pe und im Mu­se­um (Holz­häus­chen mit Ne­ben­ge­lass) gab es ei­nen aus­führ­li­chen Vor­trag über Le­ben und Werk des 1904 zu Fuß nach Pa­ris aus­ge­wan­der­ten Con­stan­tin B.. Die Ru­he und Dis­zi­plin der Schü­ler­in­nen und Schü­ler war be­mer­kens­wert... ich hat­te Mü­he mit­zu­hal­ten.
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Ich wurde gebeten, mit nach Tar­gu Jiu zu kom­men und so kön­nen wir am frü­hen Nach­mit­tag zu­sam­men wie­der nach Tis­ma­na. OK! Uh­ren­ver­gleich, Stand­ort, Start­zeit. Vom Bran­cusi-Park aus, wo der Tisch des Schwei­gens steht, in ei­ner Blick­ach­se durch das Tor des Ewi­gen Kus­ses über die Or­tho­do­xe Kir­che zur Säu­le der Un­end­lich­keit, ist es nur ein Kat­zen­sprung über die Haupt­ver­kehrs­stra­ße zur Markt­hal­le der Stadt.
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Hier auf diesem Terrain gibt es al­les, was der Mensch in Ru­mä­nien so braucht: Milch zum Selbst­ab­fül­len, fri­sches Obst und Ge­mü­se - al­les bio - Nu­deln, Bro­te rie­sen­groß, Holz­löf­fel, Ge­schirr und Ho­nig. Kein Ver­gleich mehr zu 1985, als Pe­tra und ich das letz­te mal in Bu­ka­rest wa­ren. Ein­fach nur schlen­dern, die Händ­le­rin­nen beo­bach­ten, die Kun­den glei­cher­ma­ßen: ein bun­tes Markt­pa­no­ra­ma, wie ich es in Deut­schland nur sel­ten sehe.
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Etwas vollbepackt schleppte ich mich zu­rück in die Fuß­gän­ger­zo­ne zur klei­nen Bi­se­ri­ca Sf. Voi­evozi, um Rast zu ma­chen. 13:30 Uhr fuh­ren wir al­le zu­sam­men wie­der in un­ser Tal - ich hat­te noch ei­ne klei­ne Wan­de­rung ge­plant. Dies­mal such­te ich zum zwei­ten mal den Ein­stieg zur Skite, ei­nem Ne­ben­klos­ter, das be­wußt ab­seits in den Berg­wäl­dern ver­bor­gen ist und da­durch schwer zu­gäng­lich. Ei­nen Teil der Stre­cke kann­te ich von ges­tern Abend und dies­mal leuch­te­te nach weit ei­ner Stun­de straf­fen Fuß­mar­sches et­was zwi­schen den Bäu­men, gleich stand ich vor dem An­we­sen mit Kir­che, Haus und Zie­gen­stäl­len. Be­vor ich et­was ras­ten konn­te, ha­be ich noch den ei­nen der drei Hun­de von mei­nen Bei­nen mit­tels Wan­der­stö­cken weg­ge­bracht und die No­vi­zin mit ih­rer schwar­zen Woll­müt­ze hat­te Mü­he ihn in ei­nen Ver­hau zu ste­cken. Erst ein­mal Zeit neh­men: Trin­ken, Es­sen und die schö­nen Zie­gen beo­bach­ten. Auf die­ser Skite stand die Zeit still, die Stil­le wur­de nur durch die Hun­de oder et­was sanf­ter von den Wie­der­käu­ern un­ter­bro­chen. In den Gär­ten am Hang wu­chsen To­ma­ten, Obst­bäu­me und Wein­re­ben, lei­se hör­te ich den Bach jetzt. Ich schlug die fal­sche Rich­tung ein und die jun­ge Non­ne rief mich zu­rück, um mir die Rich­tung zum Berg­kamm zu wei­sen. Dort oben sah ich et­was ganz Neu­es: Gip­fel, Ber­ge, Hü­gel, ab und an ei­ne Hüt­te und das end­lo­se Pa­no­ra­ma der Ber­gwelt.
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Abwärts war es anstren­gen­der und mir war wie schlapp ma­chen. An der Skite vor­bei, an den Hun­den auch, noch ein Stück zu ei­nem Weg­kreuz. Da stand noch ei­ne Plas­te­fla­sche mit ver­mut­lich Blu­men­was­ser, die per­fek­te Ge­le­gen­heit für mei­ne Spa­ghet­tis hier in der Stil­le des Wal­des. Noch nicht ganz satt und fer­tig, kam dann doch je­mand, ein her­ren­lo­ser Hund auf der Su­che nach Nah­rung. Wie sonst auch über­ließ ich ihm den Rest und ging lang­sam zum Ho­tel.
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