Das Dörflein am Anfang der Cernaschlucht ist auf den ersten Blick nicht unbedingt eine Reise Wert, aber wenn man den Reiseführer aus der Hand legt und ein bißchen durch das Dorf schlaumelt, sieht man doch einiges, für das sich ein zweiter oder dritter Blick lohnt...
...der Touristikkomplex an einem grünlichen Teich macht eher einen verpennten Eindruck,
...aber da ist eine versteckte Mühle,
...dort ein harmonisches Ensemble von Heuschobern...
...und auch eine lustige Tratschgemeinschaft auf der Bank, die sich über die deutsche Touristin im Regen wundert und unbedingt wissen will, woher, wohin, weshalb und warum.
Am Ende des Dorfes befindet sich eine schöne Zeltwiese, direkt an der Cerna und der Cheile Corcoria.
Dort ließen wir uns, eine Gruppe Wander- und Nichtwanderverrückter Rumänienfreunde, für einige Tage nieder, die einen, um sich von der anstrengenden Wanderung von Valea Pesti über den Oslea zu erholen, die anderen um Kraft für die bevorstehende Wanderung zu sammeln.
Doch wir waren nicht allein.
Diese Wiese wurde von einem Esel bewohnt, der uns zunächst aus der Ferne betrachtete, aber dann immer zutraulicher wurde. Wir bemerkten schnell, dass mit dem Tier etwas nicht stimmte. Er hatte einen schlimmen offenen Bruch am rechten Vorderbein, sodass er sich nur recht und schlecht auf drei Beinen fortbewegen konnte.
Wir freundeten uns mit dem Tier an und das Tier sich mit uns. Wir konnten es bald anfassen, streicheln und fütterten es mit Brot. Das Tierchen genoß unsere Nähe und bald fielen alle Hemmungen. Dem Eberhard pinkelte er voller Inbrunst direkt vor das Zelt und dem Gert trat er auf dem Fuß - mit Absicht!!! - als dieser ihm nicht schnell genug aus dem Weg ging. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, musste er probieren. Am liebsten fraß er Papier. Manchmal wurde es uns schon ein bisschen zuviel mit der Nähe, sodass der Pädagoge in unserer Reihe zur Autorität riet und wir unseren neuen Freund verscheuchten.
Ziemlich pikiert lag der menschlich Enttäuschte am Straßenrand und würdigte uns keines Blickes mehr.
Regen zog auf und wir zogen ins nächste Magazin Mixt.
Es gibt bekanntlich nichts schlimmeres als an einem Ruhetag zu verdursten und so sorgten wir für reichlich Umsatz in dem kleinen Laden, auch weil es gemütlich war und es bei solchen Regen wohl auch nix anderes zu tun gibt. Wir philosophierten über unseren Esel und fragten uns, wem er wohl gehört und ob sich keiner um ihn kümmert. Was soll im Winter aus im werden? Er wird wohl verhungern und erfrieren mit dem schlimmen Bein und ohne Stall und Futter. Oh je!
Irgendwann ließ der Regen nach und die Berge des Godeanu zogen ihre Regenpelze aus.
Es dauerte nicht lange, da kam ein Dacia Pick up angebraust und auf der Ladefläche stand UNSER Esel. Ich freute mich, denn ich war mir sicher, nun wird unser Tierchen in die Stadt zum Tierarzt gefahren.
Der Wagen hielt an der Terrasse des Magazin Mixt an und wir fragten, was mit dem Tier geschieht.
Für die Hunde! - war die Antwort!
Unser Esel für die Hunde?
Tatsächlich - Er wurde zum Schlachter gebracht!
Ich war entsetzt und empört und regte mich auf. Und ich hatte großes Mitleid. Die Freunde fragten mich, ob es nicht besser wäre, dem Esel ein plötzliches Ende im Schlachthof zu gönnen, als unendliches Leiden auf der Zeltwiese mit Schmerzen, Kälte und Hunger. Der Esel ist ein Nutztier, nun kann er nicht mehr arbeiten, er wird nicht mehr gebraucht. Ihn über den Winter zu bringen, kostet Futter, dass dem Bauern vielleicht für andere Tiere fehlt.
So ist der Lauf der Dinge.
In Rumänien hat man ein anderes Verhältnis zu Tieren, was uns Deutschen vielleicht nicht immer gefällt, aber aus Sicht der rumänischen Bauern logisch und vernünftig ist.