Tausendjährige Rumänische Zivilisation im „ASTRA“ Museum in Sibiu
von Ines Birkmann
Unsere Gastfamilie im Rauthal hatte uns vorgewarnt. Sie selber waren schon mehrfach im Museum, hatten aber noch immer nicht alles gesehen. Kaum vorstellbar für uns – aber wir wussten ja auch nicht, dass uns 146 Denkmäler auf 96 Hektar und einer Ausstellungsstrecke von 10 km erwarten würden. Eine derartige Fülle an Gebäuden, Technischen Einrichtungen und Objekten auf einem riesigen Gelände, dass muss man wirklich gesehen haben. Dafür aber mindestens einen langen Tag und Pflaster für die Blasen an den Füßen einplanen.
Das Museum öffnete seine Tore 1963 unter dem Namen Museum der bäuerlichen Technik. Man sieht Wohnhäuser aus den verschiedenen Landesteilen, Innenräume im Originalzustand, allerlei Anlagen der dörflichen Industrien, traditionelle Transportmittel usw. Alle Bereiche des ländlichen Lebens – Bodenbearbeitung, Viehzucht, Bienenzucht, Fischerei und Jagd – werden durch die entsprechenden Bauten und Gehöfte veranschaulicht: Bauernhöfe, Sennhütten, Kelterhäuser, Fischerhöfe usw. Das Museum hat fünf große Teilabschnitte mit unterschiedlichen Themenkreisen. Dazu kommt eine Ausstellung moderner Holzskulpturen auf einer Fläche von 3 Ha, mit Werken bekannter rumänischer und ausländischer Künstler, deren Thematik der Welt des traditionellen Bauernlebens entspringt. Mit seinem neuen thematischen Konzept widerspiegelt das Freilichtmuseum in authentischer Weise die traditionelle Volkskultur Rumäniens. Es verdankt seine Bezeichnung dem „ASTRA"-Verein, dessen Zweck die Förderung der rumänischen Kultur war. Auf allen Ebenen (Bewahrung des Kulturerbes, Ausstellungen, Bildung) setzt das Museum die wertvollen Traditionen des ersten in Hermannstadt 1905 gegründeten und 1950 „aus ideologischen Gründen” geschlossenen ethnografisch-historischen Museums der Rumänen Siebenbürgens fort. Dessen Bestände sinid 1950 in den Fundus des Brukenthal-Museums übergegangen, wurden 1990 dem Museumskomplex ASTRA übergeben und umfassen heute 35.240 Stücke, die den Grundstock des zukünftigen „ASTRA-Museums der siebenbürgischen Kultur” bilden werden, ein Museum mit einem modernen, innovativen, interdisziplinären Konzept. Die Tore des Museums sind das ganze Jahr über Tag und Nacht für Besucher geöffnet; die nächtliche Beleuchtung sorgt für spektakuläre Wirkung. Es werden Führungen veranstaltet und Faltblätter, Führer, CDs, Filme usw. zur Verfügung gestellt.
Segelwindmühle (aus Curcani, Kreis Constanta)
Sie ist die einzig in Rumänien erhalten gebliebene Ständerwindmühle mit 12 dreieckigen Segeln. Dieser Segelantrieb ist für die Windmühlen der Mittelmeerländer (Griechenland, Portugal usw.) typisch. Der Mann im Vordergrund hat keine Inventarnummer im Museum – passte aber wie bestellt zur Kulisse.
Gehöft und Werkstatt zur Verarbeitung von Rohseide (aus Croici-i-Mátasari, Kreis Gorj)
Das Haus wurde 1888 erbaut . Von April bis Juni wurden in der Wohnstube Seidenraupen gezüchtet, deren Rohseide anschließend zu Trachten und Wandschmuck verarbeitet wurde. Offensichtlich mögen es die BewohnerInnen extra scharf, zumindest lässt der Wandschmuck es vermuten.
Unfallschutz geht alle an – wenn auch das Geländer extrem niedrig ist.
Kerzenzieherwerkstatt
Riesiger Pferdegöpel mit einem heute unbezahlbaren Reetdach. Schon die Brandschutzversicherung dafür macht einen in Deutschland bettelarm.
Branntweinkeller mi Stockwerk (Erbaut 1883 uns seit 1967 im Museum)
Im Keller wurden die Pflaumen zur Gährung angesetzt. Die fertigen Fässer dann im Obergeschoss gelagert. Leider gab es keine Verkostung vor Ort
Typisches Haus aus Siebenbürgen. Noch heute sieht man dort viele Häuser, die auf der wetterabgewandten Seite nicht verputzt wurden.
Karussell
Obwohl wir uns eigentlich ganz gut über Sibiu informiert hatten wurden wir doch schon vor dem Eingangstor des Museums überrascht. Die Schienen der Straßenbahn hatten wir natürlich liegen gesehen, gingen aber davon aus, dass diese eingestellt ist. Doch dann konnten wir sie doch (wenn auch nur als Dienstfahrt) im Einsatz erleben – die Touristentrambahn von Hermannstadt nach Rãsinari. Via Erlenpark, Tierpark und Astra-Freiluftmuseum fährt diese ca. 22 Kilometer und benötigt dafür hin und zurück etwa 30 Minuten. Es handelt sich dabei um Straßenbahnen, die Hermannstadt 1955 von der Schweiz geschenkt wurden. Die Schienenverbindung besteht allerdings bereits seit 1948. In der Vergangenheit wurde sie vor allem von Marktleuten genutzt, die ihre Waren in Hermannstadt anbieten wollten. Auf dem Rückweg nach Rauthal konnten wir dann sogar noch das Straßenbahndepot ausfindig machen. Nach einer Odyssee von einem Pförtner der uns zum anderen Eingang schickt, dessen Wachschutz uns dann wieder zurück zum ersten schicken wollte, einiger Diskussion mit Händen und Füßen und wilder Fuchtelei mit unseren Kameras, durften wir schließlich doch in Begleitung und strenger Aufsicht ins Gelände, wo folgende Aufnahmen entstanden:
Impressionen Straßenbahndepot in Sibiu
Endpunkt in Rãsinari
Hier ist definitiv Schluss. Da kann man nur hoffen, dass die Bremsen nie versagen oder der Fahrer unkonzentriert ist. Da es den Autoverkehr stören würde, hat man eben auf einen Prellbock verzichtet.