Die Kirchenburgen in Siebenbürgen, einst Zentren deutschen gesellschaftlichen Lebens, verfallen heute, nachdem große Teile der deutschstämmigen Bevölkerung Rumänien verlassen haben.Peter Jacobi versucht mit seinen künstlerischen Möglichkeiten, diesen Prozess aufzuhalten. In den Jahren 2004/2005 reiste er nach Siebenbürgen und erstellte eine etwa 2000 Fotografien umfassende künstlerische Dokumentation des Verfalls, die zugleich eine Wallfahrt zu den Ursprüngen der eigenen Geschichte und der siebenbürgischen Zivilisation darstellt.
Aus seiner Zeit in Rumänien sind ihm die Kirchenburgen als Lebensraum vertraut. Er kennt ihre historische Bedeutung und sieht in den Dörfern und Kirchenburgen das kulturelle Erbe vieler Generationen von Menschen. Seine Fotografien sind Interpretationen der historischen Bauten aus der Perspektive eines Künstlers. Peter Jacobi lebt als Bildhauer in Formen, die das weite Spektrum der modernen Kunst ausmachen. Er hat im Inneren der Burgkirchen Verließe, Dachböden, Dachkonstruktionen, Orgeln und Reste von Orgeln, Glockenstühle und zerstörtes Gerät, Mobiliar, Mauerfragmente, abgefallenen Putz und Spuren vom Malerei fotografiert. Die Bilder erinnern an Formen und Farben des analytischen und synthetischen Kubismus, aber ebenso an informelle Malerei, an Tachismus, Minimal und Land Art. Jacobi scheint nicht die Dinge zu fotografieren, sondern seine Bilder auf die Wirklichkeit zu projizieren.
Ist Kunst eine Form der Kompensation sonst nicht zu ertragender Tatsachen?
Manfred Schmalriede
Arkeden/Archita/Gesamtansicht, links im Bild das kaputte Schulgebäude
Wölz/Velt/6.05.2004, Gesamtansicht
Wölz/Velt/Sicht auf Abbruch mit teilweise intaktem Interieur, Ruine ist offen. Der Altar wurde unter dem Schutt begraben.
Großeidau/Viile Tecii/Viile Tecii, Mai 2005, Kirche, Baujahr 1912/13, gute Architektur, seit 1945 unbetreut
Abtsdorf/Apos/Agnita/Mai 2004, Gesangbücher
Draas/Drauseni/Altarsockel während unterbrochener Restaurierung
Flugversuch, Roma-Mädchen mit der Taube am Taufbecken
Tekendorf/Teaca/Abgestütztes Gewölbe, Sicht auf abgedeckten Altar
Tekendorf/Teaca/abgedeckte Orgel, Schäden bei Restaurierung
Bell/Buia/Sicht auf Altar, drei Engelsskulpturen und mehrere Leuchter gestohlen, schöner, volkstümlich gestalteter Altar von 1821
Großau/Cristian/Sarglager im Nebengebäude der Kirche
Depositum auf Empore
Jungen in der Kirche
In der Kirche abgestellte Skulpturen
Pretai/Bratei/Reste des Uhrwerks
Felldorf/Filitelnic/Einstiger Gebetraum mit Resten des Altars und des Taufbeckens - wird vom Roma Köhler als Trockenraum benutzt.
Gergeschdorf/Ungurei/Mai 2005, Kurator Georg Stefani
Schemlak/Semlac/Banat/Gemeindehaus, Heulager im Gemeindehaus
Neustadt/Noistat/Agnita/Spruchtafeln, die von der Gemeinde nachgesprochen/ -gesungen wurden
Ungersdorf/Sieu Magherus/Altarsockel
Ungersdorf/Sieu Magherus/Sicht auf Altarsockel
Kleinschemlack/Semlacul Mic/Apsis, Riss
Meschen/Mosna/Kirche, Langzeitstütze
Niederneudorf/Corvinesti/23.05.2005, Blick auf gotische Kirche mit zerfallenem Glockenturm
Pruden/Prod/Zerstörte Orgel Vandalismus
Streitfort/Mercheasa/Orgelfragmente
Waldhütten/Valchid/Kurator mit Orgelpfeifen
Wölz/Velt/Orgel-Vandalismus
Rosch/Ravasel/Kirchenschiff, aufgegebene Kirche, es befinden sich noch mehrere Einrichtungsgegenstände im Kirchenraum, z.B. der Altar, dessen Bild versetzt wurde.
Kirtsch/Curciu/Gewichte
Kirtsch/Curciu/Im Turm
Braller/Bruiu, Kuratorin Katharina Ehrmann, 85 Jahre, war 5 Jahre zur Wiederaufbauarbeit in der Sowjetunion, sorgt für die Kirche
Botsch/Batos/“No letter in the mailbox“
Bußd/Buz/Dorfkinder im Gemeindesaal
Petersdorf/Petis/Medias/Schlafstelle des Hirten im Schulhaus
Donnersmarkt/Manarade/Kirche
Die Kirchenburg Donnersmarkt wurde in den letzten Jahren durch private Spendenaufrufe saniert. Den größten Anteil der Spenden haben die ehemaligen Donnersmarkter Bewohner beigetragen, sowie die Landeskirche Hermannstadt, die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung und die Bundesregierung. Auch diese Fotos, teilte Herr Jacobi mir mit, sollen damals diesen privaten Spendenaufruf mit ausgelöst haben.
Inzwischen gibt es ein Projekt, in welchem 18 Kirchenburgen aus dem EFRE-Strukturfond der Europäischen Union saniert werden.
Gieshübel/Gusu/Mai 2005, Selbstbildnis
Peter Jacobi wurde 1935 in Ploiesti (Rumänien) geboren. Er studierte Bildhauerei an der Kunstakademie Bukarest. 1970 übersiedelt er nach Deutschland und war dort bis 1998 Professor an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim. Seit 1965 hat er Ausstellungen in der ganzen Welt. Seine Skulpturen stehen in 150 Metropolen dieser Erde, darunter in San Francisco, Detroit, in Melbourne, Helsinki, Berlin, Budapest, Wien und Seoul. Er gestaltete das Holocaustdenkmal in Bukarest, hielt Vorlesungen in China und in den USA, veranstaltete Workshops in Cleveland, Stockholm, Chicago und Edinburgh.
Peter Jacobi zählt zu den renommiertesten Bildhauern dieser Erde und lebt ganz bodenständig in Wurmberg bei Pforzheim. Rumänien und speziell Siebenbürgen verliert er nie aus den Augen. 2004 geht er in die Heimat seiner Väter, um das Land zu erkunden. Über 200 Orte sucht er auf, um die für diese Gegend typischen Wehrkirchen in den Dörfern und deren Umgebung fotografisch zu dokumentieren und in einem Inventar zusammenzufassen. Aus diesen Werken entstand auf großformatigen Bildern die Ausstellung „Stillleben nach dem Exodus – Wehrkirchen in Siebenbürgen“. Sie wurde unter anderem 2007 in der damaligen Kulturhauptstadt Sibiu/Hermannstadt, in München und Pforzheim gezeigt.
Die Foto-CD „Stillleben nach dem Exodus“ kann über das Erasmusbüchercafe und den Schillerverlag (www.schiller.ro) beides Sibiu/Hermannstadt, für 6 € bezogen werden.