Wo liegt eigentlich dieses Reschitz?


ausgesucht von Richard Kreiling aus Chemnitz/ Reschitz

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In den 1890er Jahren ge­hör­te zu den stän­di­gen Ab­neh­mern der Re­schit­zer-Wer­ke das k. u. k. See­ar­se­nal­kom­man­do in Po­la (heu­te Pu­la auf Is­tri­en/Kroa­tien). Zur Über­nah­me der fer­ti­gen Ar­bei­ten ka­men ge­wöhn­lich Fach­leu­te nach Re­schitz.
So wurde ein junger Ma­ri­ne­in­ge­nieur, ein ge­bür­ti­ger Wie­ner, nach Re­schitz zur Über­nah­me von be­stell­ten Dre­her- und Gie­ßer­ar­bei­ten he­run­ter­ge­schickt. Als der In­ge­nieur sei­ne Or­der er­hal­ten hat­te, ging er zu sei­nem Chef hi­nein und frag­te ihn:
„Wo liegt das eigent­lich, dieses Reschitz?“
Der Chef, der schon ei­ni­ge­mal da un­ten ge­we­sen war, wuß­te Be­scheid. „Das liegt weit hin­ter Bu­da­pest, ganz na­he an Asi­en.“ „Und wie kommt man dort­hin?“ „Sie fah­ren von Bu­da­pest im­mer wei­ter hi­nun­ter, bis Sie zu ei­ner Sta­ti­on kom­men, die Bog­schan heißt.
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Zeichnung: Sirii, 10 Jahre alt aus Ilola/Finnland
Hier ist die Staatseisen­bahn zu En­de. Dort steht ei­ne Bret­ter­bu­de, und da­rin ist ein Mann mit ei­ner La­ter­ne. Den fra­gen Sie nach der klei­nen Bahn, die nach Re­schitz geht.
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Zeichnung: Kaspar, 7 Jahre aus Ilola/Finnland
Wenn alles gut geht, nimmt man Sie noch am sel­ben Abend mit, und Sie sind vor Mit­ter­nacht in Re­schitz. Von hier geht es über­haupt nicht wei­ter. Hier sind Sie am En­de der Welt. Wenn Sie ab­ge­stie­gen sind, schaun Sie, wie Sie aus den Glei­sen he­raus­kom­men. Vom Rand der Bahn­sta­tion geht es ein Stück steil berg­ab, und da ist ei­ne gro­ße Was­ser­la­che, da müs­sen Sie acht­ge­ben, daß Sie nicht hi­nein­fal­len; von dort zieht Sie nie­mand raus, denn es gibt da kei­ne Be­leuch­tung und kei­ne Po­li­zei.“ Mit die­sen Rat­schlä­gen ver­sorg­te der Äl­te­re den Jün­ge­ren. Der dach­te sich: Das wird ein Aben­teuer! Ei­ne Rei­se in die Wild­nis!
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Und es kam alles so, wie es der Chef ge­schil­dert hat­te. Es stimm­te al­les: vom La­ter­nen­mann in der Bret­ter­bu­de bis zu der Sumpf­la­che. Der In­ge­nieur selbst hat das al­les spä­ter in Re­schitz zum bes­ten ge­ge­ben. Frei­lich, am Ta­ge nach sei­ner An­kunft emp­fing er schon freund­li­che­re Ein­drü­cke. Er ge­wahr­te die ma­le­ri­sche La­ge des Or­tes im ge­schlos­senen Tal: Auf der ei­nen Sei­te wal­di­ge Hö­hen, auf der an­de­ren Sei­te wan­den sich um die Hän­ge der Hü­gel ga­le­rie­ar­tig in drei Stock­wer­ken Rei­hen von sau­be­ren Ar­bei­ter­häus­chen. Über ih­nen, auf der grü­nen Hü­gel­kup­pe, wei­de­te, ganz we­nig zu se­hen, ei­ne Her­de Kühe.
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Wie ein dröhnender Puls des Wer­kes fie­len in re­gel­mä­ßi­gen Ab­stän­den die Schlä­ge des Dampf­ham­mers. Er merk­te, dass es hier auch Deut­sche gibt, über­all tön­te ihm sei­ne hei­mi­sche Mund­art ent­ge­gen. Nach­dem er im La­bo­ra­to­ri­um sei­ne Ma­te­rial­pro­be ge­macht hat­te, frag­te er den La­bo­ran­ten Bartl, ob es im Ort ei­ne Mu­sik­ka­pel­le ge­be. „Ja, wir ha­ben ei­ne Werks­ka­pel­le. Ich selbst spie­le da­rin die Flö­te.“ Da frag­te er gleich, ob er in die Pro­be mit­kom­men kön­ne. Der Wie­ner war mu­si­ka­lisch. Er hör­te sich ei­ne Mu­sik­pro­be an, und es ge­fiel ihm. Er lud ei­ni­ge von den Mu­si­kern zu sich ein, und sie mu­si­zier­ten zu­sam­men im In­ter­ve­nien­ten­zim­mer (das ist das Gast­zim­mer des Wer­kes).
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Zeichnung: Loviisa aus Ilola 10 Jahre alt aus Finnland
„Ich kann mich noch gut er­in­nern“, schloß der al­te Bartl sei­ne Er­zäh­lung, „wir spiel­ten das Beet­ho­ven-Trio. Der Wie­ner spiel­te die Gei­ge, ich die Flö­te, der Schritt­wei­ser Leo­pold die Viola.“
Erzählt von Josef Bartl (82 Jah­re alt, pen­sio­nier­ter Werks­la­bo­rant aus Re­schitz) im Jah­re 1954, in: Ale­xan­der Tietz: Mär­chen und Sa­gen aus dem Ba­na­ter Berg­land, Kri­te­rion Ver­lag Bu­ka­rest, 2. Auf­la­ge, 1976
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So stellt sich Oskar, 9 Jahre aus Potsdam, das Innere einer der vielen Höhlen rund um Reschitza vor!
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