Wer in Rumänien mal nichts erleben will, muss ganz weit in den Osten fahren. Nach Bukarest? Nein, noch weiter. Nach Constanta? Ja, fast. Noch ein bisschen weiter nördlich. Zwei Straßen führen zum Tor des Donau Deltas. Oder zum Briefkasten oder zu der Tür zum Vorgarten des Deltas. Tulcea ist einfach eine Touristenstadt, ohne Zeltplatz, dafür mit vielen „Volksfesten“, Touristenbespaßungen und Bettenhochburgen. Also durch Tulcea hindurch bis zum Hafen. Schnell den Ticketschalter finden, das Schiff fährt ja nur zwei oder dreimal pro Tag. Dann fix zum Schiff, Schlange stehen. Kleine Kinder klettern zwischen den Beinen hindurch, um für Mama und Papa, Oma und Opa, Tante und Großtante mit Onkel und Neffe und Großonkel und… noch einen Platz freizuhalten. Hunde flitzen hinterher, die Crew lädt noch Bier, Eis und Chips an Board (Was braucht man mehr?!), ältere Damen mit riesigem Reisegepäck schieben kräftig von hinten und mittendrin auch ab und zu ein Rucksackbeladener. Dieses „möglichst schnell und mit nur einem Mal laufen alles und alle ins Schiff bekommen“ – wird von allen sehr ernst genommen. Die besten Plätze gibt es auf dem Frischluftdeck ganz an der Spitze des alten Postschiffs.
Prima Blick, eine kühle Brise (sehr angenehm bei der Sommerhitze) und die absolute Entschleunigung bei gefühltem Schneckentempo und vielen Fahrtstunden, bis man mal wieder an Land anlegt.
Naja, so eng war‘s dann doch nicht. Platz zum Beine hochlegen war genug da.
Nichts tun also. Nur gucken. Beine liegen oben, Sonne wärmt, Pelikane fangen an zu fliegen, Boote fahren vorbei, Menschen winken.
Gucken.
Genießen.
Wahrnehmen.
Vorbeiziehen lassen.
Kein Stress.
Keine Hektik.
Nur fahren.
Sehr, sehr langsam fahren.
Wirken lassen.
„Tue nichts und alles ist getan.“ – Laotse.
Wie Recht er doch hat.
Wer das einmal so erleben möchte, sollte ins Delta fahren.
Ich habe mir dort ein Kanu gemietet und bin ganz in der Früh, als es noch angenehm kühl war aufgebrochen. Langsam glitt es ins Wasser, einige Schildkröten wachten erschrocken auf (schlafen Schildkröten im Wasser?) und eine Wasserschlange suchte schnell das Weite.
Ein Hund, zwei Störche und eine Krähe saßen auf der staubigen Straße neben dem Kanal von dem es losging und guckten mir hinterher.
Langsam setzte sich das Boot in Bewegung. Es war fast nichts zu hören. Nur das Plätschern des Wassers, die ruhigen Paddelzüge, die ersten Vögel, die Frösche, die aufgescheucht von einigen Seerosenblättern davon sprangen.
Ich war, bis auf eine alte Fischerin, fast die erste auf dem Wasser. Wie gesagt nur fast.
Da war schon einiges los. Oder immer noch. Aber das Kanu schob sich so leise an die Vögel heran, dass sie einen kaum wahrnahmen. Man muss ganz ruhig, ganz entschleunigt eben, das Tempo zurückschalten.
Sich treiben lassen.
Die Ohren spitzen, die Augen schärfen, um die wunderbare Vielfalt des Donaudeltas ganz wahrzunehmen.
Was soll ich da noch sagen? Die Bilder sprechen für sich. Wenn man dort auf dem Boot unterwegs ist, trifft man fast keine Menschenseele. Weitab von allem Alltag. Ohne Handy, Internet, Verkehr, Menschenmassen, Aufgaben, Erledigungen, Supermärkte…
Mitten in einem riesigen Schilfmeer, das sich von Jahr zu Jahr verändert. Inmitten von Pflanzen, europäischem Dschungel, wilden Tieren, Wasser, Sonne, Ruhe und durchatmen. Wenn ich mir davon ein bisschen mit in den Alltag nehmen könnte. Zum Beispiel jetzt für den Advent. Ein bisschen mehr Ruhe, ein bisschen mehr „langsam“. Entschleunigen des Alltags. Einfach etwas weniger von Stress und Druck. Wie im Delta. Die Fotos tragen ihren Teil dazu bei. Beine kann ich auch zu Hause hochlegen, Wärme und Licht gibt eine Kerze und wenn ich die Augen schließe höre ich den Flügelschlag der Pelikane über mir und das Gezwitscher von verschiedenen Vögeln.