„Wo kommen die Autos her!!!?? Dort ist doch gar keine Straße!“ Ich sitze auf einem Gipfel im Paringgebirge und schaue gespannt Richtung Osten, wo sich in der Ferne viele kleine Punkte über die Bergkuppen bewegen. In Gedanken lasse ich die Landkarte vor meinen Augen vorbeiziehen, aber die nächste Straße ist fast 100 Kilometer entfernt und führt durch das Olttal und nicht über die Gipfel. Aus Erzählungen weiß ich, dass es eine Schotterstraße durch die Berge geben soll, aber diese soll nur mit geländegängigen Wagen befahrbar sein! Aber die Geschwindigkeit der Autos schließt eine Schotterstraße aus!
Später erfuhr ich von Freunden, dass dort eine neue Straße durch die Berge gebaut wird, die Transalpina. Diese Entdeckung ließ mir keine Ruhe.
Zwei Jahre später war es nun soweit. Willi und ich starteten unsere Herbsttour nach Rumänien und zuerst wollten wir die neugebaute Transalpina befahren. Inzwischen hatte ich schon viel über die Transalpina erfahren, Menschen getroffen, die von der Fahrt über die Berge schwärmten und im Erasmus Büchercafe in Sibiu/Hermannstadt eine ca. 30-seitige, im Schillerverlag erschienene Broschüre von Amseln Roth über die neugebaute Straße erworben.
Rumänien hat ja schon eine Bergstraße, die Transfăgărășan (Transfogarasch-Hochstraße). In den wenigen Sommermonaten, in der die Transfăgărășan geöffnet und passierbar ist, wälzen sich an den Wochenenden nicht enden wollende Touristenströme aus dem ganzen Land und dem Ausland die vielen Kurven der höchstgelegenen Nationalstraße Rumäniens hinauf, bis zum 2042 Meter hoch gelegenen Balea Lac See.
Und nun soll die Transalpina mit 2145 Meter Höhe die Transfăgărășan als höchstgelegene Straße Rumäniens ablösen. In der Broschüre von Anselm Roth erfuhr ich auch, dass die Straße über die Berge so neu gar nicht ist. Die Römer und Daker haben diese Straße schon vor 2000 Jahren genutzt, ebenso die Osmanen bei ihren Beutezügen in Siebenbürgen. Später wurde sie von den Schafhirten genutzt und erst der rumänische König Carol II. soll die Straße 1938 als strategisch und militärisch wichtige Verbindung wieder instand gesetzt haben. Dabei erhielt sie den Namen „Königsstraße“.
Wir starteten unsere Reise im Oktober. Über das Internet hatte ich mitbekommen, dass es die Wochen zuvor viel geregnet hat, die Woche vor unserem Urlaub es sogar bis in die Tiefebene geschneit hat. Und ich erfuhr, dass die Transalpina wegen des Wintereinbruchs gesperrt war.
So starten wir in Sebeș/Mühlbach unsere Reise. Über kleine Dörfer und viele Kurven geht es langsam und stetig hinauf in die Berge. Nach 45 km erreichen wir den See Tău Bistra. Dort machen wir einen Abstecher und fahren über Forstwege hinauf zum Tetukloster. Es liegt am Rande eines kleinen Streudorfes und man hat einen gigantischen Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Muntii Cândrel. Da der Weg aber sehr aufgeweicht ist, laufen wir die letzten 2 Kilometer. Das Kloster Tet ist ein sehr kleines Nonnenkloster. Als wir das Klostergelände betreten, kommt sofort eine junge Nonne. Sie zeigt uns die Kirche und erzählt uns Einiges zur Entstehung und Geschichte des Klosters.
Am späten Nachmittag geht es dann weiter, am Oaşastausee vorbei über den Tatarau-Pass wieder hinunter in das Tal, nach Obârşia Lotrului. Übernachtet haben wir in der gleichnamigen Cabana. Am nächsten Morgen geht es dann los auf das Herzstück der Transalpina. Ich bin sehr gespannt, ob wir es bis hoch schaffen werden. Als wir in die Straße einbiegen, leuchtet uns schon groß das Schild entgegen „drum inchis“ - Straße geschlossen.
Wir bleiben vor dem Schild stehen, machen ein paar Fotos, lauschen der Stille der Natur – und fahren dann einfach weiter. Schnell sind wir über der Baumgrenze und bleiben oft stehen, weil der Ausblick gigantisch ist.
Hier merkt man auch sofort den Unterschied zur Transfăgărășan. Während man dort in einem Talkessel hochfährt, fährt man hier oben auf dem Berg und hat fast immer eine Weitsicht in alle Richtungen.
Die letzten Tage hat die Sonne so intensiv geschienen, dass viel Schnee getaut ist. So kommen wir problemlos auf dem 2145 m hohen Urdele-Pass an und genießen den Ausblick in alle Richtungen. Es ist absolute Stille. Sonne und kein Windhauch. Bis jetzt haben wir noch keinen Menschen gesehen! Ein paar verlassene Verkaufsstände lassen uns erahnen, dass es hier in den Sommermonaten anders ist.
Wir lassen das Auto stehen und wandern auf den 2337 m hohen Vf. Mohorul. Nach einer Stunde stehen wir oben und können in alle Richtungen schauen. Die Aussicht ist atemberaubend. In der Ferne sehe ich den Berg, von welchem aus ich vor zwei Jahren das erste mal die Transalpina gesehen habe.
Während ich die Rundumsicht genieße, sehe ich einen Kleinbus, der sich mühsam die vielen Kurven hinaufschlängelt. Aber bis wir wieder unten am Pass sind, ist er wieder weg und wir wieder allein.
Wir fahren die Transalpina weiter hinunter bis nach Rânca. Rânca ist ein reiner Wintersportort, welcher im Zuge des Baus der Transalpina mächtig erweitert wurde und wird. Touristen gibt es jetzt keine, aber Unmengen von Bauarbeiten. An jeder Ecke entstehen neue Hotels, Pensionen, Restaurants, überall wird gebaut. LKW schleppen mühselig und überladen Baumaterial hoch.
Wir essen in einem der Restaurants eine Ciorba (Suppe) und fahren die Transalpina wieder hoch in die Berge. Kurz vor dem höchsten Pass suchen wir uns auf dem Vârful Muntinul Mic (2062 m) einen schönen Zeltplatz und sammeln Feuerholz. Die vielen Feuerstellen lassen erahnen, dass wir in den Sommermonaten hier nicht allein wären.
Später liege ich am Feuer und genieße in der mondlosen Nacht die Milchstraße in ihrer Schönheit, wie man sie nur in den Bergen erleben kann! Die Transalpina ist ein guter Start für unseren Bergurlaub!