Endlich war es wieder soweit.Wir, eine kleine Truppe von Rumänienfreunden, sind unterwegs durch die Maramures bis hin zu den Moldauklöstern. Seit der ersten Reise 1998 sitzt der „Karpatenvirus“ fest und Heilung gibt es nur durch gelegentliche Rumänientouren. Es ist Anfang Mai 2014 und wir wollen der mittlerweilen doch touristischen Wassertalbahn wieder mal einen Besuch abstatten. Pünktlich treffen wir in Viseu de Sus ein, doch im Bahnhofsgelände ist es auffallend still. Wir erfahren im „Cafe Elefant“, dass heute kein Zug fährt, da noch Nebensaison ist. Alternativ soll es nun mit Rucksack und Picknick zu Fuß in das Valea Vaser gehen. Nach wenigen Schritten auf den Gleisen hören wir einen Schaffner pfeifen, der das Signal für einen kleinen Arbeitszug mit Diesellock gibt. Ein kurzer Blickkontakt genügt und der Start wird abgepfiffen, bis wir und unser Gepäck verteilt sind. Im Mannschaftswagon sitzt man dicht gedrängt, so wähle ich den offenen Wagon für den Tiertransport.
Ein schriller Pfiff, ein kräftiges Rucken und der Zug poltert ins Wassertal. Mit dicken graublauen Wolken hustet sich die Diesellock vorwärts und die Landschaft zieht langsam an uns vorbei. Entschleunigung pur! Einige Kilometer flußaufwärts hält der Zug zur weiteren Beladung mit Arbeitspferden. Die Hirten warten schon und schnell ist eine alte morsche Pfoste gefunden, um die Tiere von der Weide auf den Wagon zu treiben.
Was anfänglich relativ zügig und reibungslos funktioniert, wird mit dem letzten Pferd zum Problem. Es bockt! Doch so ein rumänischer Hirte hat ja so seine Tricks. Also wird das Pferd zur Beruhigung um den nächsten Apfelbaum geführt. Sollte der Blütenduft etwas ändern? Klares nein beim Pferd. Der nächste Hirte hat die Idee, dass Pferd schwindlig drehen. Nach einigen Runden gibt der Hirte, aber nicht das Pferd auf.
Ein neuer Trick der „Pferdeflüsterer“ wird ausgepackt. Einfach eine Jacke über den Kopf gelegt und das Pferd hat seine Umwelt vergessen. Aber es läuft genau bis zu den Brettern, schüttelt den Kopf und die Jacke fliegt davon. Kaum zu glauben, aber wahr.
Ach ja, konnte ja nicht funktionieren. Man muß das Pferd blind und rückwärts einparken.
Weit ist man auch mit diesem Versuch nicht gekommen. Der Gaul bleibt wie angewurzelt stehen. Mittlerweile hat sich über ein Dutzend Pferdeprofis eingestellt und jeder gibt neue Ratschläge. Doch die Geduld wird weniger und die Gangart härter. Die Peitsche knallt mehrfach auf das zuckende Pferd nieder und mit vereinter Kraft wird geschoben.
Mit starkem Schmerz gelenkt macht das Pferd nun einen Schritt auf die Holzbretter. Es kommt das, was das Pferd die ganze Zeit schon wußte. Das Brett bricht und es geht abwärts!
Zum Glück konnte der Besitzer sich und den Zügel noch festhalten, sonst hätte ich in der Fluchtschneise stehend noch ein Pferdebild von unten. Nun müssen sich in einer gereizten Luft ein zitterndes Pferd und aufgebrachte Hirten erst einmal beruhigen. Die Zeit wird genutzt und eine stabile Bretterrampe organisiert. Später hört man noch einmal das Echo der Peitsche von den steilen Berghängen hallen, gemischt mit den rauen Kommandos der Hirten, und das Pferd wird ausgehoben und auf den Wagon gewuchtet.
Mit vereinten Kräften ist es endlich geschafft. Alle Pferde sind aufgeladen. Bevor der Zug nun wieder weiterfährt, gibt es noch ein Timisoar zur Stärkung und die Tuica Flasche macht die Runde.
Der Personen- und der Pferdewagon ist dicht belegt, so dass für uns kaum Platz bleibt. Doch der Schaffner bietet Jörg und Daniel die Mitfahrt beim Lokführer an. Als Dame darf Ute natürlich im Personenabteil sitzen und wird sogleich auf ein Mittagsbier eingeladen. Ich habe mich für das Trittbrett entschieden.
Die Lok schickt ihr Signal durch das Tal und es geht tiefer in die Waldkarpaten. Ich genieße den Fahrtwind, das klacken der Schienenstöße und den Duft nach frischem Holz, dass hier in unzähligen kleinen Sägewerken geschnitten wird. Ab und zu kommt eine feuchte Brise vorbei, wenn die Pferde schnauben. Natur pur! Es sind diese, die nicht planbaren Erlebnisse und Momente, die eine Reise durch Rumänien ausmachen und einen zum Perfektionismus getriebenen „Westler“ wieder etwas erden.
Wunderbar!
Ein letzter schriller Gruß von „Ecaterina“ und sie verschwindet im satten Grün des „Valea Vaser“