Die Panflöte - ein rumänisches Konzertinstrument?


von Helmut Hauskeller (✝)

gemalte Panflöte
Konzert von Helmut Hauskeller mit Panflöte und Orgel
November 2019 - Slowakische Philharmonie Bratislava
gemaltes Landschaftsbild
„Stille Nacht“
Mit einem Festkonzert für Panflöte und Orgel - zusammen mit meinem slowakischen Orgelpartner und Freund Stanislav Šurin - feierte ich im November 2019 in der Slowakischen Philharmonie Bratislava mein 30-jähriges Bühnenjubiläum.
gemalte Konzertbühne
Gut 30 Jahre zuvor - im August 1989 - fährt ein junger Mann ganz allein mit der Deutschen Reichsbahn von Ost-Berlin aus in Richtung Süden. Seit Tagen und Wochen hört man in den Nachrichten von den ostdeutschen Botschaftsflüchtlingen in Prag und Budapest. Viele machen sich auf den Weg ...
Am Grenzbahnhof zur Tschechoslowakei angekommen, fällt der junge Mann den Grenzbeamten auf. Allein unterwegs, mit wenig Gepäck … Und so kommt es, wie es kommen muss. Die Reisetasche wird genau untersucht und auch die Landkarten bis ins kleinste Detail inspiziert. Ist da vielleicht die Lage einer westdeutschen Botschaft angekreuzt oder eine Adresse notiert?
gemalter Zollbeamter beiKofferkontrolle
Der junge Mann bleibt ruhig, hat er doch ein ganz anderes Ziel: die rumänische Hauptstadt Bukarest. Zum ersten Mal in seinem Leben will er nach Rumänien reisen, auf „gut Glück“, doch mit einem großen Ziel. Im „Land der Panflöten“ muss es für ihn doch irgendetwas Neues zu entdecken geben.
gemalter Glücksklee mit rumänischer Flagge Flagge und Panflöte
„Senora Dona Maria“
Skulptuer eines Panflötenspielers
Was wusste ich schon von Rumänien, was von seiner Sprache und Kultur, was von seiner Geschichte und wunderschönen Natur? Ein rumänischer Name war jedoch in dieser Zeit mit der Panflöte so verknüpft wie kein anderer: Gheorghe Zamfir.
Sein Hit „Einsamer Hirte“, 1977 komponiert und produziert vom berühmten James Last, wurde hundertfach im Radio gespielt, verhalf Zamfir zum internationalen Durchbruch und rückte so die Panflöte aus einer Nische nach und nach wieder in die erste Reihe der Konzertinstrumente.
gemalter Hirte mit Panflöte
Für mich bedeutete das, dass ich in den Jahren 1979/1980 immer öfter im Keller meines Elternhauses verschwand ...
gemaltes Haus mit Musik welche aus dem Kellder kommt
War es in der DDR schon schwer genug eine Querflöte zu ergattern, eine Panflöte zu bekommen, war unmöglich! Erst 8 Jahre später eröffnete der erste (und letzte) Panflötenbauer der DDR in Erfurt am Domplatz sein Musikinstrumentengeschäft.
Solange konnte ich nicht warten. Dieses wunderschöne Instrument hatte mich gepackt, sein Klang mich verzaubert … Und so wurden in besagtem Keller in den Folgejahren viele Tomatenpflanzstangen aus Bambusrohr zu Panflöten verbaut.
gemalter Autor bastelt Panflöten aus Tomatenpflanzenstangen
Meine ersten eigenen Musikinstrumente waren schrecklich. Wie sollte man auch nur vom Hörensagen eine ordentliche Panflöte bauen können? Das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten war noch nicht verfügbar und das Schwarz-Weiß-Fernsehbild im kleinen Röhrenfernseher auch kein Ersatz dafür.
gemalter Schwarz-Weiß-Fernseher
So nach und nach stellten sich Erfolge ein. Meine Instrumente wurden immer besser, klangen gut und sahen mit der Zeit auch ganz vorzeigbar aus. Noch heute spiele ich auf einigen von ihnen.
„Habanera gris“
Panflöte
Nach eineinhalb Tagen Fahrzeit und mit 3 Stunden Verspätung landete ich im August 1989 schließlich in Bukarest. Politische Veränderungen lagen in der Luft, aber die Menschen hatten Angst. Noch regierte Diktator Ceaușescu mit harter Hand. Im Herzen der Hauptstadt ließ er sich gerade seinen Präsidenten-Palast einschließlich Prachtallee fertigstellen. Noch heute zählt dieses gewaltige Gebäude zu den flächenmäßig größten auf der Welt. Unzählige Läden säumten den Bulevardul Unirii. Doch ihre Schaufenster waren öde und leer.
Da, auf einmal: 3 kleine Panflöten, aus Holz gefertigt, schmückten eine riesige Schaufensterscheibe. Weiter nichts! Der Laden war verwaist und verschlossen. Das war nun das „Land der Panflöten“? Ich war enttäuscht.
gemalte llere Schaufenster mit zwei Panflöten
Mit dem Zug fuhr ich weiter nach Găești, dem Geburtsort Zamfirs. Der Zug war quälend voll und hielt wie auf freier Strecke. Einen Bahnsteig gab es nicht. Man sprang einfach von der letzten Stufe bis ganz hinab auf den staubigen Boden.
Găești war ein kleines Dorf, nicht weit von Bukarest entfernt. Wo sollte ich hier suchen? Ich lief zuerst zum Friedhof. Doch auf keinem der Grabsteine war der Name Zamfir zu lesen.
gemalter Friedhof
Am Abend fuhr ich zurück, suchte in den nächsten Tagen intensiv und lange nach Spuren der Panflöte, lernte nette Menschen kennen, die mich in ihre Wohnungen einluden, kaufte mir Noten und Schallplatten, aber Panflöten, die „an den Bäumen wuchsen“, fand ich nicht.
gemalter Baum mit dran hängenden Panflöten
Erst nach und nach begriff ich, welch wahre Bedeutung Rumänien in den letzten Jahrhunderten für die Panflöte hatte. Es war das Wichtigste: Rumänien gab ihr ihre Heimat.
„Hora ca la caval“
Linoldruck eines Panflötenspielers
Die ca. 6000 Jahre alte Panflöte gehört zu den ältesten Musikinstrumenten der Welt, gilt als der Vorläufer der heutigen Kirchenorgel und verdankt ihren Namen dem griechischen Hirtengott Pan. Unzählige antike Vasen schmückten sich mit den Abbildungen des meist nackt dargestellten Pan. Doch wenn man heute durch Griechenland reist, wird man dieses Instrument kaum finden.
gemalter Hirtengott mit Panflöte
Es ist wohl auch den vor vielen Jahrhunderten aus Indien nach Europa eingewanderten Sinti und Roma zu verdanken, dass die Panflöte in Bulgarien, vor allem aber in Rumänien seine neue Heimat finden konnte und dort technisch weiterentwickelt wurde.
gemalter Panflötenspieler
Die Panflöte war schon immer ein Volksinstrument. Doch auch große Komponisten wie Bach und Mozart wurden von Pan und seiner Flöte inspiriert. Die vielleicht letzte große Ehrung wurde ihr durch Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ zu teil. Jedoch bald nach der Uraufführung am 30. September 1791 in Wien wurde es um die Bambusflöte wieder stiller.
gemalte schlafende Panflöte
Und auch wenn es durchaus angemessen gewesen wäre, nicht in den prächtigen Opernhäusern und vergoldeten Kulturtempeln dieser Welt, sondern in den Bergdörfern Rumäniens, bei den Hirten, sozusagen zwischen „Ochs und Eselein“ überwinterte dieses wundervolle Instrument eine lange Zeit, bevor es vor gut 50 Jahren zu neuem Leben erweckt wurde und seitdem in Konzerten die Kirchen und Konzerthäuser füllt.
gemalte Panflöte mit Krone
„Zwischen Ochs und grauem Esel“
Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht
Euch/Ihnen von Herzen
Helmut Hauskeller
www.hauskeller.com
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