Wer durch die Walachei reist, begegnet ihm immer wieder: dem Brâncoveanu-Stil mit seinen typischen säulengestützten Loggien und Laubengängen, üppigen floralen Steinmetzarbeiten an Balustraden, Fenster- und Türeneinfassungen sowie einer Fülle weiterer Fassadenverzierungen.
Bereits in Bukarest stößt man alle naslang auf diese einzigartige Architektur, die eine Mischung aus rumänischen, italienischen und orientalischen Bauelementen aufweist. Gut erkennbar an den meist romanischen Rundbögen, die dann zu guter Letzt doch noch byzantinisch spitz zulaufen und damit West und Ost aufs Harmonischste vereinen.
Der Gründer dieses einzigartigen Baustils ist der im 17./18. Jahrhundert herrschende walachische Fürst Constantin Brâncoveanu. Er hatte seinerzeit ausführliche Reisen nach Venedig unternommen und Stilelemente der dortigen Architektur mit einheimischer und der ihm bekannten byzantinischen kombiniert. Hinzu fügte er noch eine ordentliche Portion urrumänische Verehrung der Natur, was in der reichhaltigen Pflanzen- und Tierornamentik der Säulen- und Fassadenverzierungen zum Ausdruck kommt. Die Steinmetze dürften seinerzeit gut zu tun gehabt haben!
Die Wirkung dieser Gebäudekunst auf den Betrachter ist eine ganz besondere, denn sie strahlt so viel Harmonie und „Heiligkeit“ aus, dass man staunend davor stehen bleibt und auf ewig dort verweilen möchte. Dies gilt vor allem für die beiden Klöster Horezu und Sâmbăta de Sus, mit denen sich ihr Erschaffer ein Denkmal gesetzt hat.
Der brâncoveneske Baustil prägt übrigens nicht nur Klöster und Paläste, er wurde auch in die dörfliche Architektur übernommen. Ende des 19. Jahrhundert erfuhr er sogar eine Wiederbelebung, als man sich in der Hauptstadt nach Dekaden der Orientierung an französischer Architektur der eigenen besann. Viele Häuser in Bukarest entlang der Calea Victoriei legen Zeugnis davon ab. Aber auch im Cotroceni-Viertel kann man auf reichlich Neo-Brâncoveanu-Architektur stoßen.
Weitere Eindrücke brâncovenesker Stilelemente findet ihr in meinen Rumänienadventskalenderbeitrag 2014, in dem ich überwiegend bildhaft von des Fürsten Säulen- und Gebäudedekor schwärme.
Kloster Horezu
Diese Perle rumänischer Klosterbaukunst befindet sich in Oltenia – der kleinen Walachei. Wer bei strahlend blauem Himmel Kloster Horezu besucht, ist geradezu geblendet von den schneeweißen grazil verzierten Kirchtürmen und Säulengängen. Es liegt idyllisch eingebettet zwischen den waldigen Ausläufern der Südkarpaten und weitläufigen Wiesen und Weiden.
Die hier und da auf dem Klosterkomplex platzierten Töpfe mit Oleander verbreiten mediterranen Flair. Zu Recht, wie ich finde, gilt Horezu als eine der schönsten Klosteranlagen Rumäniens.
Hier folgen ein paar Detailaufnahmen von Loggien, Säulen und Balustraden, an denen ich mich nicht satt genug sehen kann:
Mit diesem Bauwerk hat Fürst Brâncoveau Gott ehren wollen. Hier wollte er auch seine letzte Ruhe finden. Doch der im Vorraum der Klosterkirche befindliche Sarkophag aus Marmor ist leer!
Der Grund hierfür liegt in dem tragischen Schicksal des kunstverständigen Fürsten, der 1714 mitsamt seinen Söhnen am Sultanshof geköpft wurde. Grausamerweise musste Brâncoveanu der Hinrichtung seiner Söhne zusehen, bevor er selbst an die Reihe kam. Die enthaupteten Körper wurden kurzerhand in den Bosporus geworfen, wo sie christliche Fischer bargen und in ein orthodoxes Kloster nahe Bukarest brachten. 2014 wurde ein Teil der gesalbten Gebeine Brâncoveanus aus der „Kirche des Heiligen Georgs“ (Biserica Sfântul Gheorghe Nou din București) nach Horezu gebracht, wo sie in einem Reliquienschrein nun doch noch ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Das Leben und Wirken dieses dem Humanismus zugewandten Fürsten der Walachei, der die Künste und Wissenschaften förderte und sich immerhin 25 Jahre lang (!) auf dem walachischen Thron hatte halten können, hat mich dermaßen beeindruckt, dass ich ihn in meiner „Rumänien-Saga“ unbedingt zu Ehren kommen lassen wollte. Daher habe ich seine Geschichte in Band 5 der Nicolae-Saga „Unter dem Schwert“ eingebunden, ebenfalls die politischen Hintergründe, die eine Herrschaft als Vasall des Sultans seinerzeit zu einer demütigenden und lebensgefährlichen Angelegenheit machten.
Was in meiner im 19. Jahrhundert spielenden Familiensaga allerdings unerwähnt bleiben musste, ist, dass Fürst Constantin Brâncoveanu 1992 heiliggesprochen wurde.
Er wäre bestimmt glücklich zu erfahren, dass sein von 1690 bis 1697 erbautes Kloster Einzug in das UNESCO-Weltkulturerbe gefunden hat. Ganz in seinem Sinne wurde Horezu zu einem akademisch-künstlerischen Zentrum, in dem sich die wichtigste Malschule des Landes ansiedelte sowie zwanzig Zünfte, zu denen – wie sollte es anders sein? – auch Steinmetze gehörten; nicht zu vergessen eine der umfangreichsten Bibliotheken Südosteuropas. All dies wusste er zu fördern und bescherte somit seinem Land eine kulturelle Blütezeit.
Übrigens soll man in dem von Nonnen bewirtschafteten Kloster (bis 1872 ein Mönchskloster) recht angenehm übernachten können und lecker verköstigt werden. Ja, und schöne Sachen kann man dort auch erstehen.😀
Kloster Sămbăta des Sus
Im Gezerre der Religionen und der Mächtigen – Eine kleine Klostergeschichte
Dieses Juwel am Fuße des Fagaraş-Gebirges habe ich vergebens in meinen diversen Reiseführern gesucht, vielleicht sind sie schon zu alt. Denn das Kloster ist alles andere als das. Dies liegt in der besonderen Geschichte des Klosters begründet – die ebenso wechselhaft ist wie die der Rumänen.
Das vom walachischen Fürsten Brâncoveanu gestiftete Kloster befindet sich in Sâmbăta de Sus, und zwar auf der transsilvanischen Seite der Südkarpaten! Diese Region war bei Gründung des Klosters mehrheitlich von orthodoxen Rumänen bewohnt. Siebenbürger Sachsen hatten sich dort nicht angesiedelt.
Seinerzeit stand ganz Siebenbürgen unter der Herrschaft der Habsburger. Diese versuchten, die rumänische Bevölkerung zum römisch-katholischen Glauben zu bekehren. Auch die Ungarn mischten in dieser Hinsicht fleißig mit.
Der derart unter Druck geratene orthodoxe Klerus war schließlich zu einer Union mit der griechisch-katholischen Kirche bereit; zwar unter Beibehaltung des byzantinischen Ritus, aber immerhin – wie gefordert – mit Rom vereint.
Das passte Fürst Brâncoveanu allerdings so gar nicht. Und so ließ er 1697 auf der von seinem Großvater Preda vererbten Domäne nördlich der Karpaten eine orthodoxe Kirche für die dort ansässigen Rumänen bauen – der Ursprung der heutigen Klosteranlage Sâmbăta des Sus war gelegt.
In den folgenden Jahrzehnten kam es zu den üblichen Machtkämpfen der Konfessionen, bis unter dem Befehl der österreichischen Königin Maria Theresia – und Fürstin von Siebenbürgen! – sämtliche orthodoxe Holzkirchen Siebenbürgens niedergebrannt und deren Klöster aufgelöst wurden.
Dieses Schicksal blieb dem Kloster Sâmbăta de Sus zum Glück vorerst erspart. Man kann nur vermuten, dass der Einfluss der allseits hochgeachteten Familie Brâncoveanu dies zu verhindern wusste. Denn sie war nach wie vor im Besitz des Guts Sâmbăta des Sus.
Dies änderte sich allerdings 1772. Und so kam das Kloster unter die Herrschaft Joseph II. – Sohn der verstorbenen Königin Maria Theresia. Dieser ließ zwar für jene Zeit eine Menge Toleranz walten, was die Religionsfreiheit anbelangte, aber Klöster – gleich welcher Konfession – in denen die Hauptaufgabe der Mönche und Nonnen im Beten bestand und keinerlei Nutzen für die Gesellschaft brachte, waren ihm ein Gräuel. Und so wurde das Brâncovenanu-Kloster 1785 aufgelöst.
Es verfiel. Im 19. Jahrhundert bemühten sich sowohl eine orthodoxe Nonne als auch später ein Metropolit Mittel für eine Restaurierung des Kloster vom Habsburger Hof zu erlangen. Doch diese wurden ihnen nicht gewährt. Am Ende jenes Jahrhunderts waren die Klosterruinen von Wald umwuchert.
Erst nach Ende des Ersten Weltkrieges, als Transsilvanien an das Königreich Rumänien angeschlossen wurde, gingen die ehemaligen Domänen der Familie Brâncoveanu an den rumänischen Metropoliten zurück. 1926 begann man mit der Restaurierung der Klosterkirche. 1946 wurde sie neu eingeweiht.
Unter der kommunistischen Regierung war jedoch an einen weiteren Ausbau des Klosters nicht zu denken. Erst ab 1965, als Ceauşescu das nationalhistorische Erbe vorantreiben wollte, wurden die Restaurierungsarbeiten wieder aufgenommen und Neubauten hinzugefügt. Es wurde peinlichst darauf geachtet, den brâncovenesken Stil beizubehalten.
1993 waren die Arbeiten endlich abgeschlossen und das Kloster Sâmbăta de Sus, wie wir es in der heutigen Form sehen, konnte endgültig eingeweiht werden.
Es gilt als wichtigster rumänisch-orthodoxer Wallfahrtsort Siebenbürgens, wovon wir uns an einem April-Sonntag überzeugen konnten. Ganze Familien mit Jung und Alt waren angereist, um die Klosteranlage zu besuchen. Entsprechend haben sich im Umkreis Restaurants und Buden angesiedelt, in denen ungarische und rumänische Spezialitäten angeboten werden.
Sâmbăta de Sus ist unbedingt ein lohnendes Ziel. Auch wenn einige Bauten und Kirchenmalereien neueren Datums sind, so sind sie doch unverkennbar zu Ehren Brâncoveanus gestaltet und hätten ihm gewiss Freude bereitet. Die umliegende Landschaft lädt außerdem zu Wanderungen ein.
Im Vorraum der neuen Kirche ist das grausame Ende der Brâncoveanu-Familie auf einem riesigen Wandgemälde dargestellt. Bei dem zum Schafott geführten Jungen im hellen Hemd dürfte es sich um Matei Brâncoveanu handeln, den damals erst 12-jährigen Sohn des Fürsten.
Zum Trost umgibt die Familie Brâncoveanu nun ein Heiligenschein.
Crăciun fericit!
Aurelia
P.S. Als Bonbon noch ein kleiner feiner TV-Beitrag des SWR von 2010, den ich vor Kurzem entdeckt habe. In diesem erzählt Fürst Brâncoveanu selbst über sein Kloster Horezu und seinen schwierigen Stand als Fürst der Walachei.