Ein Theaterstück für Hundertbücheln / Movile

Hundertbücheln, auf rumänisch Movile, heißt ein kleines Dorf in Rumänien, dass wir 2015 auf einer gemeinsamen Reise entdeckt haben. Das Dorf ist so klein, dass es nicht einmal Google Maps kennt. Es gefiel uns so gut, dass wir beschlossen, uns dort zu engagieren. So gründeten wir 2016 den Verein Churchfortress e.V. Friends of Hundertbücheln – Movile. Seitdem sind wir unzählige Male in Movile gewesen, haben viele Arbeitseinsätze gemacht, jede Menge Projekte und Workshops abgehalten und uns so in dieses kleine Dorf verliebt. Ein Vereinsmitglied hat sich sogar in eine Movilanerin verliebt und wohnt nun schon seit zwei Jahren im Dorf der hundert Hügel.

Auch wenn es oft den Anschein macht, dass in Movile nicht so viel los ist, gibt es vor allem an den warmen Sommertagen viel Gewusel auf den kleinen Straßen des Dorfes.

Jeden Abend um die gleiche Zeit sieht man in der tiefstehenden Abendsonne die Kühe die Dorfstraßen entlangziehen. Den ganzen Tag verbrachten sie auf den umliegenden Wiesen und nun kommen aus jedem Hof die Menschen auf die Dorfstraße um "ihre Kuh" in Empfang zu nehmen. Nachdem die Kühe gemolken sind, treffen die Leute sich dann auf den kleinen Bänken vor den Höfen zum Plauschen oder in einer der drei Kneipen von Movile.

Die Kinder in Movile haben lange Sommerferien. Sie müssen zu Hause ordentlich mit anpacken, passen auf die Geschwister auf oder helfen beim Brotbacken und füttern der Tiere. Wenn es nichts zu tun gibt oder sie noch zu klein zum anpacken sind, spielen sie den ganzen Tag Fußball oder treffen sich am Spielplatzgeländer, das keinen Spielplatz umzäunt, da die Spielgeräte dafür nie eingetroffen sind. Sehr beliebt zum Spielen sind auch die vielen kleinen Sandhaufen, die überall verteilt liegen, weil seit zwei Jahren eine Zuwasserleitung verlegt wird.

So gesehen wirkt es, als als ob die Kinder hier in Moviel viel Spaß haben und ihre Freiheiten genießen. Um etwas mehr Abwechslung in ihr Leben zu bringen, hatten wir die Idee, ein befreundetes Theaterduo zu uns nach Movile einzuladen. S’artR heißt der Verein und zieht mit verschiedenen Theaterstücken durch Transsilvanien.

Wir gingen im Dorf von Haus zu Haus und luden alle Dorfbewohner*innen mit ihren Kindern persönlich in das Kulturhaus zur Theateraufführung ein. Wir konnten nicht jeden Schnaps ablehnen und so wurde es eine lange Einladungsrunde.

Für die Theatervorstellung hatten wir den alten Kultursaal der Siebenbürger Sachsen schön geschmückt. Da wir so etwas noch nie organisiert hatten, konnten wir nicht einschätzen, wieviel Menschen tatsächlich kommen würden. Wir waren sehr überrascht, als sich kurz vor Beginn der Theatervorstellung der Saal füllte. Viele Kinder kamen in Begleitung ihrer Mama oder Großmutter. Dementsprechend war die Altersspanne breit aufgestellt. Insgesamt haben wir 55 Movilaner*innen gezählt! Das war wohl die größte öffentliche Veranstaltung in diesem Coronajahr.

Das Theaterduo spielte die Geschichte vom Prinţul Fericit, dem glücklichen Prinzen als Schattenspiel. Es war schön anzusehen, wie sich der (oft leere) große Saal mit dem Lachen der Kinder und Erwachsenen füllte. Von jung bis alt waren alle vertieft in der Geschichte. Am Ende bekam jedes Kind ein kleines Herz geschenkt. Ai grija de inima ta! Pass auf dein Herz auf! So endetete die Geschichte und mit diesem Auftrag gingen die Kinder nach Hause, das Herz fest in der Hand haltend.

Nach der Theateraufführung gab es noch ein kleines Buffet und jedes Kind konnte sich etwas Süßes mitnehmen. Die Enkelin der Schäferin stand noch lange gedankenverloren am Tisch und nagte an ihrem Keks. Ob sie dabei an den Prinzen dachte?

Am nächsten Abend saßen wir mit den Leuten aus Movile vor der Bar. Beim Bier bekamen wir viel Lob für diese Aktion und eine Mutter wünschte sich, dass wir dies unbedingt wiederholen sollten, weil das Theaterstück so schön war.

Dies bekamen wir in den nächsten Tagen noch öfters zu hören. Das freute uns sehr und so beschlossen wir, dass Theaterduo S’artR noch einmal einzuladen. Wir fanden etliche Unterstützer*innen, die dafür Geld spendeten, und so war es ein paar Wochen später wieder soweit. Diesmal fiel die Theateraufführung auf den letzten Tag der Sommerferien.

Sie hatten natürlich ein anderes Theaterstück im Gepäck. Oder besser gesagt in der Truhe. Diese stellten sie zuerst vorne auf die Bühne und holten aus ihr traditionelle Trachten und allerhand weiterer Requisiten heraus. Das brachte die bereits versammelten Kinder zum Staunen.

Als ein kleiner Junge die Schauspielerin Erszébet von S‘artR erblickte, rannte er auf sie zu und fragte, wann sie denn das nächste Mal kommen würde. Aber wir sind doch jetzt hier, antwortete Erszébet. Jaja, aber das nächste Mal, wollte der kleine Junge wissen. Sie fragte ihn, ob er sich denn noch an das letzte Stück erinnern könne. Klar konnte er das! Er wusste den Namen noch und meinte, dass er auf das kleine Herz noch immer gut aufpassen würde.

Viele Kinder trauten sich diesmal ohne Begleitung ihrer Eltern oder Großeltern zur Vorstellung. Manche kamen auch mit ihren älteren Geschwistern. Als Erszébets Partner die Kinder begrüßte und dabei mit seinem Kopf auf die Truhe aufschlug, lachten die Kinder laut los und das Lachen sollte bis zum Ende der Vorstellung nicht aufhören. Es war sehr schön für uns zu sehen, mit welcher Begeisterung die Kinder das Theaterstück verfolgten. Das war für alle ein toller Abschluss der Sommerferien.

Nach der Vorstellung hatte das Theaterduo noch einen Workshop für die Kinder vorbereitet, bei dem sie sich ihre eigene kleine Puppe basteln konnten.

Es war ein total buntes Chaos, aber mit Hilfe der älteren Geschwister gingen alle Kinder am Ende erschöpft aber glücklich mit ihrer fertigen Puppe nach Hause. Schon jetzt suchen wir nach Unterstützer*innen, um auch im nächsten Jahr ein Theaterstück in Hundertbücheln / Movile aufzuführen.