Endlich Urlaub! Unklar, ob die Grenzen geöffnet bleiben oder geschlossen werden, fuhren wir Anfang Juni unserem Lieblingsland entgegen. Die internationalen Transitbestimmungen verkürzten sehr pragmatisch unsere Fahrt zur rumänischen Grenze. Zügig ging es von Potsdam über Prag – Bratislava – Budapest Richtung Arad.
Einen wirklichen Plan für die kommenden drei Wochen hatten wir noch nicht und so entschied eine gute Freundin: „Ihr haltet gleich hinter der Grenze bei Aurelia an und lasst die deutsche Getriebenheit erstmal hinter euch.“ Das war soooo eine gute Entscheidung. Obwohl wir unsere Gastgeber noch nicht kannten, ihr Haus schon gut mit Gästen gefüllt war, wurden wir kurz nach Mitternacht mit einer überwältigenden Herzlichkeit begrüßt, an einem reich gedeckten Tisch bewirtet und liebevoll untergebracht.
Aurelia lebt mit ihrem Stefan im alten Elternhaus - ein altes Lehmhaus, das an allen Ecken pure Lebensfreude ausstrahlt und das gleichzeitig um Restauration bittet. Ein perfekter Ort mit heilenden Menschen, um das Herz zu öffnen und frei zu machen für neue Begegnungen und Erlebnisse.
Sonnenheilmittel und Frank
Gefüllt mit Liebe und bepackt mit Vorräten fuhren wir zwei Tage später weiter, ungefähre Richtung Sibiu, Übernachtung offen. Vorbei an der Râpa Roșie ...
...kamen wir nach Cristian bei Sibiu, einer kleinen Ortschaft mit ungefähr 3.700 Einwohnern, 49 bewohnten Storchennestern und einer wunderschönen Kirchenburg aus dem Jahr 1498. Die Burgwächterin ist die Freundin einer Freundin und so wurden wir kurzzeitig zu Burgbewohnern.
Es war wie im Märchen. Am frühen Abend verließ die Burgwächterin ihre Burg, überließ uns Fremden alle Schlüssel, empfahl uns den Speckturm mit seinen kulinarischen Leckereien und wünschte uns eine schöne Zeit. Unfassbar über solch ein Vertrauen fassten wir uns ein Herz und erkundeten das Areal: die Winterkirche, den Speckturm und natürlich den Kirchturm mit seinen Glocken und dem genialen Uhrwerk der Kirchturm-Uhr. Bei jeder Entdeckung waren wir sprachlos, einfach so im Besitz der Schlüssel zu sein. Wobei eigentlich alle Türen offen standen und nur der Speckturm verschlossen war.
Der besondere Reiz unseres Aufenthaltes lag tatsächlich, neben der Schönheit und Kraft dieser Burg, in dem Alleinsein hier. Wir brauchten unsere Eindrücke mit niemandem teilen, konnten alles allein verarbeiten, es gab keine weiteren Besucher während unserer Burgherrschaft.
Sibiu, 10 Minuten mit dem Auto von Cristian entfernt, ist eine kleine Stadt mit viel Freude für die Augen – besonders, wenn man sich vom Stadtkern entfernt und hinter die Tore schauen darf.
Nach einer warmen und innigen Verabschiedung von unserer Burgwächterin, bereichert um einen dreibeinigen Holzstuhl als Geschenk, ging unsere Fahrt weiter.
Uns erwarteten liebe Menschen in der Nähe von Târgu Jiu, Nonnen aus dem Kloster Mănăstirea Sf. Ilie. Wir kannten uns aus dem Vorjahr und freuten uns über ihre Einladung. Der Begrüßung folgten viele Umarmungen, Segnungen und in Ermangelung der Sprachkenntnisse erneute Umarmungen.
Wir konnten die Seele baumeln lassen, unsere Sinne auf dem Markt betören...
...und die gesunde Luft genießen.
Als Gäste im Kloster nahmen wir natürlich auch an den Gottesdiensten teil...
...und beobachteten dabei sehr fasziniert die Hingabe der Nonnen, die wir ja nun auch durch Küchendienst und Hofarbeit von einer anderen Seite kannten.
Wir waren jetzt schon eine längere Zeit unterwegs in Rumänien, trugen viele wundervolle Begegnungen mit unendlich liebevollen Menschen im Herzen, saßen bereits viele, viele Kilometer im Auto und hatten eine Menge gesehen und erlebt. Und wie es manchmal so ist, nun war ein Punkt erreicht, an dem es bei mir nicht mehr weiter ging – ich wollte nix mehr wissen von Übernachtungssuche und Weiterfahrt, wollte einfach auf einer Wiese bleiben.
Getragen vom Wunsch, mir eine schöne Stelle zum Erholen zu finden, entdeckte mein Frank am Ende eines kleinen Pfades, hinter einem unverschlossenen Türchen diese Schaukel. Ein kurzer Rundum-Blick und er entschied, hierher wollte er mich bringen samt Buch und Strickzeug. Gesagt, getan…
Es ist wie ein kleines Paradies. Neben der Schaukel plätschert leise ein kleines Bächlein, Bäume rauschen mit ihren Blättern im sanften Wind – eine intensive Stille der Natur. Mein Frank baut mir aus Steinen eine kleine Fußbank, beräumt die Schaukel von… Werkzeug (?) und wir machen es uns gemütlich. Etwas unbehaglich ist mir zwar, aber wir sind ja in Rumänien.
Wir sitzen gerade, da kommt ein Mann… groß, muskulös und mit Fragen. Ich schwitze leicht vor mich hin, Frank dagegen spricht die internationale Sprache der Gestik und des Vokabel-Mischmasches – die kleine Frau braucht eine Pause und hier ist es so schön für Herz und Seele. Der große Mann hört zu, erfasst den Sinn der Worte und bedeutet uns mit breiten Armen mitzukommen.
Er führt uns über den kleinen verspielten Bach, eine üppige Gänseblümchenwiese hin zu einem Kellereingang, hinter dem sein Weinkeller uns erwartet. Weinflaschen verschiedenster Jahrgänge lagern hier und Vorräte an Țuică, dass uns die Augen übergehen.
Vlad – so heißt unser Gastgeber – füllt die Gläser und wir erzählen noch einmal unsere Geschichte.
Ein breites Lächeln geht über sein Gesicht und er lädt uns ein, als Gäste bei ihm zu bleiben. Er baue gerade eine Pension, ist aber zurzeit halt eine Baustelle... Außerdem ist er bei der Nationalpolizei, darf also gegen Bezahlung keine Besucher beherbergen – nun lacht er – aber Freunde, Freunde dürfen bei ihm wohnen. Also sind wir als Freunde eingeladen!
Nun wohnen wir ein paar Tage bei einer unbekannten rumänischen Familie, ganz unkompliziert und völlig undenkbar für deutsche Verhältnisse. Wir haben sogar eine kleine Sommerküche und ein eigenes Bad.
… viel Grün mit viel Löwenzahn, Klee und anderen Leckereien ...
... erleben die abendliche Heimkehr der Kühe ...
… sammeln etwas zum Essen im Magazin Mixt ein und erleben viel Spaß an der Kasse ...