Einblicke in die Lebenswelt der Frauen aus Siebenbürgen von 1918 - 2018
von Prof. Dr. Sylvia Heilmann
Die Stellung der Frau aus Siebenbürgen war keine andere als die der Frauen im Rest der Welt.
Mit selbstverständlicher Hingabe hütete sie das Feuer, das Haus und den Hof, überwachte Gesinde und Gesellen, half bei der Feldarbeit, erzog und unterhielt die Kinder, betreute die Alten, Waisen, Kranken und Gebrechlichen. Sie tat das geduldig, verantwortungs- und pflichtbewusst, auch wenn sie dafür selten Wertschätzung oder gar Entlohnung erhielt. Ihr Anteil an dem für die Siebenbürgen-Sachsen bekannten ausgeprägten Gemeinschaftssinn und dem einmaligen Nachbarschaftswesen ist überproportional.
Obwohl in Siebenbürgen schon seit 1722 die allgemeine Schulpflicht bestand, durften die Mädchen noch im 19. Jh. nur vier Schulklassen besuchen. Alle monetären Ressourcen der Familie waren dem männlichen Nachkommen vorbehalten, denn er sollte es als Ernährer der Familie einmal besser haben. Die Tochter erhielt zum Ausgleich eine Aussteuer (auch Mitgift: bis weit ins 20. Jh. bestehend aus Kleidung, Wäsche, Haushaltsgegenständen) und wurde durch die Heirat abgesichert.
Sie hatte keine berufliche Ausbildung. Was sie wissen musste, lernte sie im Familienalltag. Ihr Lebensweg war durch den üblichen Sozialisierungsprozess tief verinnerlicht; er war alternativlos. Auch die Gründung einiger Frauen- und Wohltätigkeitsvereine ab Mitte des 19. Jh. änderte daran wenig.
Erst als Anfang des 20. Jh. die Bildung und Berufsausbildung der Frauen an Bedeutung gewannen, rüttelten die Frauen an ihrem Gefängnis. Die Gründung der Lehrerinnenbildungsanstalt 1904 in Schäßburg und schließlich die Eröffnung des ersten Mädchenlyzeums 1927 in Herrmannstadt waren Meilensteine der Frauenbewegung in Siebenbürgen und auch ihr Katalysator.
Nachdem in Deutschland im Jahre 1901 die ersten Frauen in Heidelberg und Freiburg zum Universitätsstudium zugelassen worden waren, studierten nach der Jahrhundertwende auch einige Siebenbürgen-Sächsinnen an deutschen Hochschulen.
Dr. Josef Böhm, der 1960 in Târgu Mureș (dt. Neumarkt am Mieresch) als Sohn der Ärzte Josef und Elisabeth Böhm geboren wurde und seit 1981 in Deutschland lebt, führt die Sammlung seines Vaters fort, der diese während der Ceausescu-Diktatur in den 1960er Jahren in Oradea (dt. Großwardein) begonnen hatte. Der Vater konzentrierte sich hauptsächlich auf die Malerei der 1896 gegründeten Malerschule Baia Mare (dt. Frauenbach) und auf die Klassische Moderne aus Siebenbürgen. Genau dieser regionale Bezug auf die Kunst in einem politisch isolierten Land macht die Sammlung Böhms einzigartig.
Hochzeit - Vertauschte Köpfe Miklós JAKOBOVITS * 1936 in Cluj; ✝ 2012 in Oradea
Miklós Jakobovits lebte in Oradea (dt. Großwardein). Er war Maler, Museologe, Restaurator und Schriftsteller und zudem ein sehr guter Freund der Familie Böhm. Er beriet zunächst den Vater Böhm und unterstützte später auch Dr. Josef Böhm als wichtiger Berater bei der Fortführung der Kunstsammlung seines Vaters.
Miklós Jakobovits studierte an der Hochschule der Bildenden Künste in Cluj. Er arbeitete danach in Galați, Bukarest und Oradea. Ausstellungen in Oradea, Bukarest, Cluj (dt. Klausenburg), Utrecht, Hamburg, Paris und Budapest. Er war Vorsitzender der Vereinigung ungarischer Künstler in Siebenbürgen und erhielt mehrere staatliche Kunstauszeichnungen in Rumänien und Ungarn. Seine Kunst ist dem Surrealismus nahe stehend, wurde aber später vielfigurig und schließlich ab Mitte der 1960er abstrakt.
Bei diesem Gemälde „Hochzeit – Vertauschte Köpfe“ wurde Jakobovits von der Erzählung „Die vertauschten Köpfe“ von Thomas Mann (1940) inspiriert. Einer indischen Legende, die in ironischem Ton davon erzählt, dass zwei Männer - der „ziegennasige Schmied Nanda“ und der „schmalnasige Kaufmann Schridaman“ - die gleiche Frau (Sita) lieben. Schridaman heiratet Sita, aber sie können ihr Glück nicht finden. Als Schridaman erkennt, dass Sita in seinen Armen liegend wollüstig den Namen Nandas rief, enthauptet er sich selbst.
Nanda fürchtet nun den Argwohn der Leute im Dorf wegen dieses Selbstmordes und enthauptet sich ebenfalls. Sita, im Angesicht des Blutbades etwas durcheinander, fügt sich göttlicher Weisung und setzt aus Versehen die vier Teile der Männer verkehrt herum zusammen. Schridaman steckt nun in Nandas perfektem Körper und Nanda hat den Leib von Schridaman. Trotz schönem Leib zerbricht die Liebe von Sita und Schridaman. Sita sehnt sich nach Nanda und als der Ehebruch mit Nanda schließlich vollzogen ist, stechen sich die Männer gegenseitig die Schwerter ins Herz. Sita hingegen lässt sich mit den Leichen ihrer beiden Männer bei lebendigem Leibe als Doppelwitwe verbrennen.
Die Galerie Schöne Höhe in Pirna präsentiert noch bis zum 07.12.2024 die wunderbare Ausstellung „FrauenBilder“ aus der Kunstsammlung von Dr. Josef Böhm.
Die Ausstellung gibt dabei einen Einblick in die Lebenswelt der Frauen aus Siebenbürgen und zeigt gleichzeitig mitteleuropäische Kunstgeschichte von 1918 bis 2018.
Zu sehen sind Werke der Klassischen Moderne...
... der Avantgarde,
... des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit.
Zu sehen sind aber auch zeitgenössische Werke, wie ...
Vertreten sind Meisterwerke von Margit Anna, Alfred Macalik, Sándor Ziffer, Dávid Jándi, Hans Eder, Henri Nouveau, Friedrich von Bömches, Albert Nagy, György Jovian, Miklós Jakobovits, Antal Andor Fülöp, u.a.
Die drei Galeristinnen aus zwei Generationen und einer Familie zeigen die Kunstwerke rumänischer, ungarischer und deutscher Künstler aus Siebenbürgen.
„Wir freuen uns, diesen ersten Teil aus der beeindruckenden Kunstsammlung Böhm präsentieren zu dürfen und hoffen auf anregende Gespräche und inspirierende Begegnungen.“, sagt Sylvia Heilmann, Kuratorin der Ausstellung. „Jedes Werk erzählt eine eigene Geschichte und bietet Raum für individuelle Interpretationen.“, schwärmt Sophia und Sarah Heilmann meint, „Diese Ausstellung ist ein Genuß!“.
Die Finissage am 07.12.2024 ab 11 Uhr wird begleitet von Dr. Josef und Noemi Böhm, die ganz besondere Einblicke und Informationen zu den Kunstwerken vermitteln können. Sie sind alle herzlich eingeladen, die Vielfalt und Kreativität der Kunst aus Siebenbürgen zu entdecken. Der Eintritt ist kostenfrei.
Details zur Ausstellung Titel: Frauenbilder Finissage: 07.12.2024 um 11 Uhr Dauer: 19.10.2024 - 07.12.2024 Öffnungszeit: Freitag – Sonntag, jeweils von 15 - 18 Uhr oder jederzeit nach Vereinbarung Ort: Galerie Schöne Höhe, Burglehnstraße 13, 01796 Pirna Te. 0172-7966003 Kuratorin: Prof. Dr. Sylvia Heilmann info@schoenehoehe.art