Seit sieben Monaten hatte ich nun schon in dem kleinen Dörfchen Rusciori gelebt und mich gut mit sämtlichen Bewohnern angefreundet. Dass die Roma wissen wie man feiert, durfte ich also auch schon längst feststellen, aber Mitte August haben sie es dann doch noch einmal geschafft, mich zu überraschen.
Ein guter Bekannter aus dem Dorf hatte uns Freiwillige zu seiner Hochzeit eingeladen und obwohl ich schon im Dezember einmal so ein Fest besucht hatte, war mir nicht klar worauf ich mich einlasse.
Das ganze Fest beginnt aber zunächst völlig gewohnt: drei Stunden zu spät. Die Wartezeit verbringen wir bei unserem Freund und Kollegen Iulian. Sein Bruder Vasile macht seiner Schwester noch schnell die Nägel, Hannah und Iulian versuchen sich bei der Hitze möglichst wenig zu bewegen. Marius hat das Hemd vorsorglich erst einmal weggelassen.
Aber dann geht’s los: Die ganze Nachbarschaft versammelt sich im Hof des Bräutigams. Eine bunte Mischung aus plaudernden alten Frauen, bärtigen Männern, die trinken und mit Münzen spielen sowie Müttern jedes Alters, die ihren barfüßigen Kindern noch schnell die Nasen putzen.
Die engen Verwandten und geladenen Gäste sind schnell auszumachen. Sie haben sich heute besonders schick gemacht, mit viel Schminke, Haargel und buntem Tüll. Genau wie bei uns ist dabei Geschmack eine Frage der Generation.
Die Braut, Cosmina, ist noch nicht anwesend. Sie wird höchstpersönlich abgeholt von einem langen Hochzeitszug. Die ganze Festtagsgesellschaft zieht mit Lackschuhen durch die ungepflasterten Straßen der Tigania, das Romaviertel, um alle auf den Anlass aufmerksam zu machen.
Angeführt wird der Zug natürlich von der traditionellen Gruppe von Musikern, die im ganzen Dorf für Begeisterung sorgt.
Am Haus der Braut angekommen, staut sich die Masse. Die Paten müssen hier tief in die Tasche greifen, so wie noch häufiger an diesem Abend. Denn bei den Roma ist eine Hochzeit eigentlich das Fest, an dem die Familie des Bräutigams das Mädchen offiziell "freikauft“, das er vorher "geklaut“ hat. Diese Aktion ist mittlerweile allerdings eher eine Art spaßhafter Kurzurlaub bei Freunden geworden und das Freikaufen eine lustige Abwechslung: der Schlüssel zum Kirchtor, der Brautschuh, die Braut selbst - alles verschwindet während des Festes einmal und taucht gegen Scheine wieder auf.
Cosminas Familie jedenfalls scheinen mit der Vermählung einverstanden zu sein. Jedenfalls haben sie extra für den Anlass das Haus neu gestrichen, in neon-pink. Die Farbe sei aus dem Internet, wird mir erklärt, was hier als besonderes Qualitätsmerkmal zu verstehen ist. Nachdem das Pärchen zur orthodoxen Kirche geführt und die kurze aber obligatorische Trauung abgehalten wurde, geht’s endlich zum "Camin Cultural", der Festhalle.
Das Brautpaar wird mit Sekt und Blüten empfangen, Gläser werden zerschmissen und die eigentliche Feier kann endlich losgehen. Der Saal ist brechend voll, die Tische reich gedeckt. Es ist üblich, dass etwa alle Stunde einer der über fünf Gänge aus kalten Vorspeisen, Suppe, viel Kaffee und süßem Kuchen und natürlich Sarmale gereicht wird. So hat man genug Zeit zum tanzen und das Trinken geht auch besser. Ab jetzt geht’s ums Durchhalten, unabhängig vom Alter… .
Wir geben kurz vor dem letzten Gang, um fünf Uhr morgens, auf. Damit verpassen wir leider das klassische Finale eines so rauschenden Festes: Nach den Sarmale und literweise Tuica bricht eine wilde Prügelei los, die Band zerschmeißt ein Fenster und flüchtet, der Rest duselt heimwärts. Was für eine Party.